piwik no script img

heute in hamburg„Wir gehen zu den Menschen hin“

Vorlesung: „Arbeitsplatz Straße – Aufsuchende Soziale Arbeit für obdachlose Menschen in Hamburg“,18 Uhr, Uni Hamburg, Hauptgebäude/Ost, Raum 221, Edmund-Siemers-Allee 1

Interview Friederike Gräff

taz: Wie lässt sich aufsuchende Sozialarbeit in zwei Sätzen erklären, Herr Graßhoff?

Johan Graßhoff: Wir gehen zu den Menschen hin, dort, wo ihr Lebensraum ist, und bieten dort Unterstützung an. Das heißt, Vertrauen aufbauen, Beziehungsarbeit leisten und dann zusammen mit den Menschen versuchen, Perspektiven aufzubauen.

Wie gut lassen sich auf der Straße so grundlegende Gespräche führen?

Diese Arbeit auf der Straße ist sehr herausfordernd, weil wir dann mit den Personen keinen Rückzugsort haben. Bei Themen, die Privatsphäre und längere Zeit brauchen, gehen wir in eine Tagesaufenthaltsstätte oder in unser Büro, es kann aber auch ein Café sein.

Was ist der erste Satz, wenn Sie obdachlose Menschen ansprechen?

Die Erstkontaktaufnahme kann ganz klassisch sein, dann stellt man sich mit seinem Namen vor, der Berufszeichnung und sagt, warum man die Person jetzt anspricht. Das kann aber auch ein hamburgisches „Moin, moin“ sein und man erklärt ein bisschen, was man so macht.

Wie reagieren die Leute?

Foto: privat

Johan Graßhoff,31, ist Straßensozialarbeiter und Mitorganisator der Ringvorlesung „Wohnungs- und Obdachlosigkeit als gesamtgesellschaftliche Herausforderung“.

Weil wir viel in der Innenstadt unterwegs sind, kennt man sich häufig schon von anderen Treffen, aber oft ist es auch so, dass uns die Leute erst einmal einschätzen müssen: Was wollen die eigentlich? Häufig sind sie erst einmal misstrauisch, dann geht es darum, Vertrauen aufzubauen. Zu sagen, wie wir unterstützen können und vor allem, dass wir freiwillig und anonym arbeiten. Gerade auch in der heutigen Zeit, wo Obdachlosigkeit immer mehr mit Repression und Verdrängung im öffentlichen Raum zu tun hat.

Was können Sie konkret anbieten?

Das eine nennen wir Verweisberatung. Je nachdem, wo die Person sagt, dass sie Information braucht, sei es, wo sie schlafen kann oder eine Postadresse bekommt, all die Alltagsthemen, die für obdachlose Menschen wichtig sind. Das zweite ist akute Nothilfe. Wenn wir eine Person antreffen, die akut medizinische Hilfe braucht, rufen wir den Krankenwagen. Was in der letzten Zeit immer wichtiger geworden ist, ist die Begleitung: zu allen möglichen Behörden, zu Krankenhäusern, Krankenkassen – aber auch mal zum Friseur. Ebenso wichtig ist aber auch die Unterkunfts- oder Wohnungssuche. Und schließlich die Öffentlichkeitsarbeit: Wir sehen uns als Sprachrohr für die Belange der obdachlosen Menschen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen