heute in hamburg: „Sozial- und Umweltdumpingsind die Regel“
„Fairen Handel fördern! Lobby & Advocacy-Arbeit von TransFair und Fairtrade“: Diskussion, Kompetenzzentrum Nachhaltige Uni, Edmund-Siemers-Allee 1, 18 Uhr, Eintritt frei
Interview Till Wimmer
taz: Herr Schueller, macht es einen Unterschied, ob Konsument*innen faire Produkte kaufen oder nicht?
Martin Schueller: Es hilft schon sehr. Ganze Bewegungen, die ihr Handeln als politischen Protest genutzt haben, hätte es sonst nicht gegeben. Das Problem ist aber, dass in den Terms of Trade der WHO und der EU nicht zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Produkten differenziert wird.
Was bedeutet das für die Produzenten?
Egal unter welchen ausbeuterischen und umweltzerstörerischen Verhältnissen ein Kaffee hergestellt wurde, er wird hier unter gleichen Rahmenbedingungen auf den Markt gebracht wie nachhaltig und fair gehandelter Kaffee. Das wiederum bedeutet, dass Sozial- und Umweltdumping die Regel sind.
Wird Fair Trade überhaupt von dem Menschen wahrgenommen und gekauft?
In den letzten Jahren sehen wir einen massiven Anstieg des Bekanntheitsgrades des Konzeptes des fairen Handels. Das kann sich positiv auswirken. Aber es wird nie so sein, dass alle Menschen nachhaltig hergestellte und fair gehandelte Produkte kaufen. Da kommt die Ordnungspolitik ins Spiel.
Welches Instrument der Steuerung schlagen Sie vor?
Für nachhaltigen und fair produzierten Kaffee sollte die Kaffeesteuer abgeschafft werden. Dadurch würde wesentlich mehr von solchem Kaffee verkauft werden. Doch genau diesen Schritt scheut die Politik.
Warum?
Olaf Scholz (SPD) hat als Bürgermeister von Hamburg die Kaffeesteuer-Befreiung für fair gehandelten Kaffee unterstützt. Als Finanzminister lehnt er diesen Schritt nun ab. Es ist also nicht Regierungspolitik, Nachhaltigkeit zu fördern, sondern ‚business as usual‘ zu erhalten. Für den Planeten ist das schlecht.
Ist die kürzlich vom EU-Parlament beschlossene „unfair trading practices“-Richtlinie ein Erfolg für die Nachhaltigkeit?
Ja. Langjährige Lobbyarbeit für mehr Gerechtigkeit vieler Fair-Handels-Organisationen und gleichgesinnter NGOs in Europa haben das bewirkt. Ein weiterer solcher Erfolg war es, als es gelungen ist, bei öffentlichen Aufträgen die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien einzufordern. Jetzt kann man bei einem Vergabeprozess verlangen, dass Kriterien wie Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit berücksichtigt werden.
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