heute in hamburg: „Die Uhr tickt“
Diskussion „Kampf um Rojava, Kampf um die Türkei“: 19.30 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2, Eintritt frei
Interview Katharina Gebauer
taz: Herr Küpeli, worum geht es beim „Kampf um Rojava“?
Ismail Küpeli: Im Kampf geht es einmal darum, überhaupt auf die nordsyrische Region aufmerksam zu machen. Dort herrschen seit Beginn des Projekts vielfältige Konflikte, da sowohl vom Islamischen Staat (IS) als auch von der Türkei eine Bedrohung für die demokratische Idee des Projekts ausgeht. Der „Kampf um Rojava“ stellt den Kampf für die Existenz des Modells dar. Zudem ist in den letzten drei, vier Jahren sehr viel bezüglich der Kurdenfrage in der Türkei passiert. Diese zwei Konflikte gehören zusammen, denn es geht in beiden darum, wie sich die Türkei beziehungsweise Rojava weiterentwickeln wird.
Welche Zusammenhänge des Rojava-Kampfes kommen in der öffentlichen Debatte zu kurz?
Es existiert eine sehr starke Fokussierung auf den Anti-IS-Kampf, besonders auf den militärischen Teil. Die politischen Debatten und Ideale sowie wirtschaftliche Fragen dort werden zu wenig beleuchtet. Wir erfahren außerdem sehr wenig über die Verhandlungen mit dem Regime in Damaskus hinsichtlich der Zukunft des Projekts und generell wenig über die politischen Strukturen in Rojava.
Woran liegt das?
Das westliche Interesse an der Region entstand erst durch die lange Aktivität und Ausbreitung des IS sowie dessen globale Gefahr. Daraus resultierend entwickelten sich dann militärische Kräfte in Rojava gegen den IS. Der politische Hintergrund der kurdischen Kämpfer wird allerdings nicht betrachtet.
Welche Bedeutung hat die Frauenbewegung in der Diskussion?
Ismail Küpeli, 40, ist Politikwissenschaftler und Historiker. Er analysiert die Konflikte in der Türkei und im Nahen und Mittleren Osten.
Sowohl in Rojava als auch in der Türkei hat die Frauenbewegung eine große Bedeutung. Die Emanzipation der Frauen spielt gerade in Rojava eine tragende Rolle. Man kann die Entwicklung Rojavas ohne Blick auf die Frauenfrage gar nicht verstehen. In der Türkei ist die Frauenbewegung die zentrale Säule der sozialen Bewegung, die Mobilität dort ist beachtenswert. Dieser Bewegung wird aber auch zu wenig Aufmerksamkeit zuteil.
Wie sieht die Zukunft des Kampfes aus?
Der syrische Bürgerkrieg ist de facto vorbei, übrig geblieben ist das Assad-Regime. Früher oder später wird es zu Verhandlungen mit Rojava kommen, die Frage ist, wer sich durchsetzen kann. Es wird darauf hinauslaufen, dass es ein Abkommen zwischen beiden Kräften geben wird. Die Uhr tickt, denn in Nordsyrien ist angesichts der Bedrohung durch die Türkei der Druck groß, sich mit dem Regime zu arrangieren. Rojava wird eine Zeit lang seine Autonomie aufrecht erhalten können, die Demokratisierung ganz Syriens aber wird eine Utopie bleiben.
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