piwik no script img

heute in hamburg„Wir sind heute lebende Ziele geworden“

Hans-Christian Dany, 52, lebt als Künstler und Autor in Hamburg. Sein Buch erzählt die Geschichte der Bomberjacke.

Interview Jana Hemmersmeier

taz: Herr Dany, was hat die Mode der Bomberjacken heute noch mit den Piloten im Krieg zu tun?

Hans-Christian Dany: Es ist heute der gleiche Hersteller, Alpha Industries, der die ersten Bomberjacken als Uniform produziert hat. Das Erstaunliche ist aber, dass die Jacke heute militärisch nicht mehr genutzt wird. Sie ist genau in dem Moment angesagt, in dem der Bomberpilot durch Drohnen ersetzt wird.

Sehen Sie da einen Zusammenhang?

Mit der automatisierten Technik greifen die Gegner heute statt Soldaten die Zivilbevölkerung an. Alle werden Teil des militärischen Apparates. Wir leben im großen aktuellen Krieg, der Krieg gegen den Terror genannt wird. Das zeigt auch die Massenmode.

Die Jacke ist also ein Symbol dafür, dass der Krieg heute überall ist?

Genau. Sie symbolisiert zum einen, dass sich der Krieg überall eingeschlichen hat. Zum anderen, dass wir alle an die Stelle der Soldaten getreten sind.

Woran kann man das konkret sehen?

Sehr deutlich wird es an einer Jacke, die im letzten Jahr auf den Markt kam. Sie hat eine Einlage, die auch die ursprünglichen Bomberpiloten in der Jacke hatten. Dort steht der Hinweis, dass die Jacke nach Hause geschickt werden soll, wenn der Pilot abgeschossen wird. Das ist für mich ein deutliches Zeichen dafür, dass wir heute lebende Ziele geworden sind.

Buchvorstellung MA-1. Mode und Uniform“: 19 Uhr, Kunstverein Hamburg, Klosterwall 23

Die Bomberjacke hat auch eine Ver­gangenheit in Subkulturen wie Skinheads oder Mods. Hat das eine Bedeutung?

Ja. Vielleicht haftet die Geschichte der Jugendbewegungen und Widerstände der Bomberjacke sogar mehr an als ihre Zeit als Uniform. Die Jacke ist eine sentimentale Erinnerung daran. Diese Subkulturen funktionieren heute nicht mehr, sondern die Grenzen sind fließender und verändern sich schneller. Es schwingt eine Sehnsucht nach der alten, geordneten Welt mit. Trotzdem ist es auch eine Befreiung, dass Symbole heute viel leichter gehandhabt werden und man zwischen den Stilen fließender hin- und herspringen kann.

Wofür steht die Bomberjacke dann heute?

Sie ist heute ein extremes Massenprodukt und steht für sehr, sehr viel. Es gibt Leute, die sie als eine Art Schutzjacke tragen, um die Umgebung auf Distanz zu halten. Sie kann souverän wirken, sie kann aber auch wahnsinnig normal aussehen. Man kann damit auch einfach in der Masse untergehen. Da ist eine große Vielfalt, die zusammen kommt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen