heute in hamburg: „Der Berufsstand genießt weniger Vertrauen“
Johannes Meyer, 33, hat Medienwissenschaften in Siegen studiert und ist redaktioneller Koordinator des „Urban Storytelling Lab“ an der Hamburg Media School.
Interview Alexander Diehl
taz: Herr Meyer, die Ankündigung zur heutigen Veranstaltung fragt nach dem „Wahrheitsgehalt“ dessen, was gesendet wird und gedruckt. Stellt sich diese Frage heute mehr als vor zehn Jahren?
Johannes Meyer: Eine Wahrheitsdiskussion gibt es im Journalismus seit eh und je, aber ein Begriff wie „fake news“ ist mit der Wahl von Donald Trump aufgekommen oder zumindest verstärkt worden. Man muss da gar nicht über den Großen Teich gucken: Nachdem in Deutschland Bewegungen wie Pegida das Wort „Lügenpresse“ salonfähig gemacht haben, ist das Thema Wahrheit oder auch das Vertrauen in den Journalismus heute viel mehr auf der Agenda der Menschen. Noch vor fünf Jahren hätten die meisten da doch noch mit den Achseln gezuckt.
Wo immer noch mancher mit den Achseln zuckt, ist „Confirmation bias“. Der Begriff kommt eigentlich aus der Psychologie und bezeichnet die Neigung, bevorzugt Informationen zu berücksichtigen, die vorhandene Erwartungen bestätigen. Der TV-Journalist Peter Voß hat aber schon vor Jahren gesagt: Gut finden wir Kommentare, deren Tendenz wir teilen.
Es sind ja immer noch die Wenigsten, die nur in den sozialen Netzwerken dort ihre Informationen beziehen – aber sie spielen eine immer größere Rolle. Und das kann dazu führen, dass man in einer Filterblase gefangen ist und immer nur nahe an der eigenen Meinung liegende Ansichten vorgeführt bekommt – und dann den Eindruck: Die ganze Welt denkt so.
Welche Rolle spielt, dass im Internet leichter im Alleingang veröffentlicht werden kann?
Diskussion „Was wollen wir eigentlich wissen? Zum kritischen Umgang mit Informationen“ mit Laura-Lena Förster (stern.de), Lars Haider (Hamburger Abendblatt) und Katharina Kleinen-von Königslöw (Uni Hamburg). Moderation Johannes Meyer. 19 Uhr, Kampnagel, Eintritt frei
Eigentlich ist es ja eine tolle Entwicklung: Heute kann jeder mit einfachen Mitteln selbst publizieren. Aber das hat dazu geführt, dass viele Onlinemedien relativ schnell publizieren – um vorneweg zu sein. Der Aktualitätsdruck ist so hoch, nicht nur für Onlinemedien, dass bei manchen die Genauigkeit leidet. Und der zweite, dritte Blick unterbleibt: Hat das Qualität? Ergibt es Sinn, das zu veröffentlichen?
Setzen nicht auch seriöse Medien im Social-Media-Umfeld gezielt auf Kontroverse?
Journalisten sind dazu gezwungen, ihre Inhalte dort viel mehr auf Emotion zu trimmen. Auch das trägt dazu bei, dass der Berufsstand und die Branche nicht mehr das Vertrauen genießen, das sie mal genossen haben: Wer heute in seine Facebook-Timeline schaut, der sieht vor allem Zuspitzung und Extreme.
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