piwik no script img

heute in hamburg„Es reicht nicht feministisch zu sein“

Andreas Kemper, 55, ist Mitbegründer des Online-wikis „Diskursatlas Antifeminismus“

Interview Maren Knödl

taz: Herr Kemper, wieso ist die Diskussion um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gerade wieder so aktuell?

Andreas Kemper: Die Diskussion ist nicht unbedingt aktueller. Mit dem Aufkommen des Feminismus war der Kampf für das Recht auf Abtreibungen eigentlich immer schon da. Aber durch das Erstarken rechter Gruppen, die sich den sogenannten Lebensschutz auf die Agenda schreiben, ist sie in den letzten Jahren noch mal lauter geworden.

Wer sind heute die Akteure der Diskussion?

Die Kirche ist immer noch einer der Hauptakteure der „Pro-Life-Bewegung“, da gibt es beispielsweise einen Zusammenschluss von evangelikalen und ultrakatholischen Gruppen mit der Neuen Rechten. Auf der anderen Seite hat eben der Feminismus verschiedene Gruppierungen hervorgebracht. Mittlerweile reicht es aber nicht mehr aus, feministisch zu sein. Man muss auch anti-anti-feministisch sein.

Was bedeutet das?

Je größer die Feminismus-Bewegung wurde, umso größer wurde auch die Gegenbewegung. Darüber müssen wir uns aber nicht unbedingt nur erschrecken. Das zeigt ja auch, dass wir relevant sind. Wenn die Gegenseite allerdings so gut vernetzt ist, muss man darauf natürlich reagieren.

Sie haben dafür einen Diskursatlas über Antifeminismus geschrieben. Was steht drin?

Der Diskursatlas soll die Sprache aufdecken, die verschiedene Gruppierungen benutzen und so über verwendete Narrative zeigen, wie diese untereinander vernetzt sind.

Vortrag „Der Kampf um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch – Die aktuelle Pro-Life-Bewegung“: 19 Uhr, Fabrique im Gängeviertel

Was bedeutet das praktisch?

Dann merkt man zum Beispiel, dass Leute, die gegen einen Schwangerschaftsabbruch sind, auch gegen Gleichstellungsgesetze oder die Ehe für alle sind und welche gemeinsame Ideologie dahinter steckt. Der Atlas will den Antifeminismus in seiner Gesamtheit darstellen.

Mittlerweile benutzen auch die Anhänger der Pro-Life-Bewegung Twitter und eigene Hashtags. Sind auch die Inhalte innovativer geworden?

Nur weil man neue Techniken benutzt, muss man ja nicht inhaltlich fortschrittlich sein. In ihren Ansichten sind sie immer noch rückwärts gewandt. Anhänger der Pro-Life-Bewegung sagen selbst, dass sie wieder zurück wollen zur „natürlichen Ordnung“. Und das bezieht sich auf alle Lebensbereiche, nicht nur auf ihre Haltung gegenüber Schwangerschaftsabbrüchen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen