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heute in hamburg„Das hat nicht den gleichen Charme“

privat

Rebecca Lohse, 41, ist stellvertretende Geschäftsführerin der Gemeinwesenarbeit St. Pauli und zuständig für Stadtteilkultur.

Interview Philipp Schulte

taz: Frau Lohse, wird die S-Bahn-Haltestelle Reeperbahn saniert, muss die vom Stadtteilverein GWA gemietete Vitrine digitalen Werbe-Displays weichen. Wo ist das Problem?

Rebecca Lohse: Wir sind der Meinung, dass man am S-Bahnhof Reeperbahn durchaus etwas Originelles und Retro-Elemente erhalten kann. Gerade auch, weil er von vielen Touristen und Stadtteilbewohnern genutzt wird. In der Vitrine gibt es viele Informationen aus dem Viertel. Das wäre in einer digitalen Form nicht möglich.

Wieso können Sie Ihre Inhalte nicht auf den neuen Displays der Bahn zeigen?

Wir würden uns das überlegen, aber das hätte nicht den gleichen Charme. Wir gestalten die Vitrine mit Kunst oder wir reagieren mit Aktionen auf politische Ereignisse. Das müssten wir digital einspeisen und zur Bahn nach München schicken. Dort würde dann entschieden werden, wo was wie gesendet wird. Das ist für uns kaum vorstellbar.

Klingt, als wollten Sie den digitalen Wandel aufhalten.

Nein, aber wir finden, dass unsere Vitrine erhalten bleiben kann und Innovationen nicht ausgeschlossen werden. Wir sind dem Digitalen gegenüber aufgeschlossen.

Was wurde so in der Vitrine gezeigt?

Wir weisen auf unsere Veranstaltungen hin. Wir hatten aber auch schon Kunstausstellungen und haben Dinge mit Kindern gestaltet. Das immer in Bezug auf die Gemeinwesen- und Sozialarbeit unseres Vereins. Zum Teil haben auch Initiativen aus dem Stadtteil die Vitrine genutzt. Für uns ist sie ein Medium, um mit den Menschen in Kontakt zu treten. Und für sie ist es ein Zufluchtsort auf dem Bahnhof, der ansonsten nicht schön ist.

Sie müssen jetzt den Schlüssel für die Vitrine abgeben. Sind Sie da mit Ihrer heutigen Protestaktion nicht etwas spät dran?

Wir wissen erst seit Ende 2017, dass wir die Vitrine nicht mehr mieten können. Und solange sie nicht abgerissen ist, können wir immer noch Protest äußern. Außerdem haben wir viele E-Mails von Anwohnern bekommen.

Was steht da so drin?

Viele fangen mit „Liebe Deutsche Bahn, bitte lasst uns die Vitrine“ an. Die Stadtteilbewohner finden sich in der Vitrine wieder. Sie sprechen mit ihren Kindern über den Inhalt. Die Leute machen auch Vorschläge an die Bahn, sie solle den ganzen Bahnhof im Stil der 70er-Jahre gestalten.

Protest-Performance der GWA St. Pauli für den Erhalt der Bahnsteig-Vitrine: 15 bis 18 Uhr, S-Bahnhof Reeperbahn

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