heute in hamburg: „Frei vom universitärem Leistungsdruck“
Chris Bruns, 24, ist Teil des Geo-Kino Kollektivs.
Interview Leif Gütschow
taz: Chris Bruns, was macht den historischen Anarchismus für uns heute aktuell?
Chris Bruns: Wir glauben, dass Anarchismus immer aktuell und spannend war. Weil er fragt, wie sich Menschen selbst organisieren können, ohne dabei auf Institutionen und Hierarchien zurückzugreifen. Und wir glauben, dass Anarchismus eben nicht für Chaos steht, sondern dass er gerade in Zeiten von Prekarisierung und ökonomischer Krise als Form der Selbstorganisation wieder wichtiger werden kann.
Bekannt ist das Stereotyp des anarchischen Bombenlegers – was für ein Bild zeichnet der Film „Kein Gott, kein Herr!“, den Sie heute Abend zeigen?
Der Film zeigt eine Geschichte der Anarchie über Originalaufnahmen aus Archivdokumenten und Interviews. Er zeichnet nach, wie Anarchismus als Idee entstanden ist und sich etwa vom klassischen Marxismus abgegrenzt hat. Darüber hinaus zeigt er auch, wie verschiedene anarchistische Projekte funktioniert haben.
Wie wählen Sie die Filme aus?
Wir wählen hauptsächlich Dokumentarfilme zu Themen, die gerade politisch aktuell sind. Wir sind aber auch offen für Leute, die auf uns zukommen und sagen „Hey, ich habe einen Film, der mich interessiert!“ Das Ganze wollen wir frei von dem universitärem Leistungsdruck und dem Credit-Ding machen.
Auf dem Veranstaltungsplakat blickt uns die Anarchistin und Feministin Emma Goldman entschlossen an. Ihr Konzept von Emanzipation geht auf Freiwilligkeit zurück – das wirkt verblüffend aktuell.
Ich würde ganz einfach sagen, dass die Freiwilligkeit eine Grundprämisse ist. Also, dass man keinen Zwängen und keiner Herrschaft unterworfen ist, wozu selbstverständlich auch das Patriarchat gehört. Wenn ich über Selbstorganisation rede, dann rede ich davon, dass Leute sich selbst für etwas entscheiden: Was sie machen und wie sie es machen wollen. Einen konkreten feministischen Bezug haben wir bei dieser Veranstaltung nicht. Wir sind auch keine Expert*innen für das Thema Anarchismus. Wir bieten mit dem Kino eine Plattform, auf der Leute miteinander diskutieren können.
Gibt es heute Abend Gäste, die etwas dazu beisteuern?
Ja, es kommt eine Person von der FAU, das ist die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union, eine anarcho-syndikalistische Gewerkschaft. Die FAU ist selbstorganisiert und nicht an den bestehenden Parteien orientiert.
Filmvorführung „Kein Gott, kein Herr! Eine Geschichte der Anarchie“ mit Diskussion:19 Uhr, Geomatikum Hörsaal 4, Bundesstraße 55
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen