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heute in hamburg„Besser als staatliche Strukturen“

Foto: privat

Martin Mäusezahl, 38, Mitglied des Kaffeekollektivs Aroma Zapatista, war 2010 sechs Monate als Menschenrechtsbeobachter in zapatistischen Gemeinden aktiv und engagiert sich seither für sie

Interview Adèle Cailleteau

taz: Herr Mäusezahl, sind die Zapatisten der Beweis, dass eine andere Welt möglich ist?

Martin Mäusezahl: Ja, für mich schon. Ich finde es sehr beeindruckend, mit welchem Mut und Entschlossenheit die Zapatistas dabei sind, eine andere Welt aufzubauen. Es sind indigene KleinbauerInnen in Mexiko, stark diskriminierte Menschen, die so viel geschafft haben. Ihr Beispiel macht Lust, selber an einer anderen Welt zu bauen.

Seit 24 Jahren organisieren rund 100.000 Zapatisten ihr Zusammenleben unabhängig vom mexikanischen Staat. Wie läuft das?

Erstmal wurde ein ökonomischer Freiraum geschaffen, durch den bewaffneten Aufstand des 1. Januar 1994. Dabei wurde Land von Großgrundbesitzern zurückgewonnen, das im Kolonialismus den Indigenen weggenommen wurde.

Wie sind sie politisch organisiert?

Auf dieser Basis haben die Zapatistas eine basisdemokratische Selbstverwaltung auf drei Ebenen geschaffen: Gemeinde, Landkreise, Regionen. Delegierte und Amtsträger haben die Pflicht, die Vollversammlungen der Gemeinden für alle wichtigen Entscheidungen zu fragen und sich an die Beschlüsse zu halten. Sie sind jeder Zeit absetzbar. Alle Ämter rotieren. So lernen viele Menschen politisches Handeln und übernehmen Verantwortung. Aber vielleicht noch wichtiger als die politischen Strukturen ist, dass die Zapatistas auch eine komplette soziale Infrastruktur aufgebaut haben, mit Rechtsprechung, Radiostation, Gesundheits- und Schulsystem. Diese funktioniert besser als die staatlichen Strukturen.

Es klingt traumhaft. Läuft aber wirklich alles so gut?

Nein, nicht alles. Aber das sagen die Zapatistas auch selbst. Ein zentrales Motto heißt „Fragend gehen wir voran“. Sie gestehen sich zu, Fehler zu machen. Sie haben immer Probleme thematisiert, zum Beispiel dass die Frauen in der Bewegung nicht gleichberechtigt sind. Zehn Jahre später sind viele Frauen in politischen Ämtern.

Können die Zapatisten ein Vorbild für Hamburg sein?

Ich glaube, so einfach übertragbar ist das nicht. Für emanzipatorische Politik und Gesellschaftsveränderung muss ma n selber denken und ausprobieren. In Mexiko gibt es einen anderen historischen und gesellschaftlichen Kontext. Ich glaube trotzdem, dass eine Auseinandersetzung mit den Zapatistas wertvolle Anregungen geben kann, um Ideen zu bekommen und die eigene Praxis zu reflektieren.

Vortrag des Kaffeekollektivs Aroma Zapatista „24 Jahre basisdemokratische Selbstverwaltung der Zapatistas“: 20 Uhr, Infoladen Wilhelmsburg, Fährstraße 48

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