heute in hamburg: „Kinder sollen wissen, was geschehen ist“
Martine Letterie, 59, die niederländische Autorin schreibt vor allem historische Kinder- und Jugendbücher.
Interview Adèle Cailleteau
taz: Frau Letterie, wie sehr hat Ihre Familiengeschichte Sie geprägt?
Martine Letterie: Mein Großvater hieß Martinus Letterie, ich wurde nach ihm benannt. Und ich bin heute viel älter als er je geworden ist. Als er 33 Jahre alt war, wurde er im Konzentrationslager Neuengamme ermordet. Ich bin mir meiner Familiengeschichte sehr bewusst, aber ich denke, wir sind alle sehr von unserer Geschichte geprägt.
Was haben Sie aus Ihrer Geschichte gelernt?
Ich habe mich mit 400 Jahren Familiengeschichte auseinandergesetzt und dabei festgestellt, wie viel meine Familie für ihre Rechte gestritten hat. Ich finde das sehr ermutigend.
Sind unsere Rechte denn derzeit gut geschützt?
Es besteht immer das Risiko, dass der Rechtsstaat bedroht wird. Und dass die rechtspopulistischen Parteien immer kräftiger werden, sollte für uns eine Warnung sein: Wir sollten unseren Rechtsstaat besser schützen.
Ihr neues Buch heißt „Die Gene meines Vaters“. Was steckt denn in seinen Genen?
Das weiß ich so ganz genau natürlich nicht. Aber ich denke, es ist vor allem dieses Gefühl für das Unrechte, das in der Geschichte meiner Familie wieder sichtbar wurde.
Sie schreiben üblicherweise Kinderbücher, warum jetzt dieses neue Buch?
Seit 21 Jahren schreibe ich Bücher für Kinder und Jugendliche. Oft sind es historische Romane, manchmal auch mit Abschnitten meiner Familiengeschichte drin. „Die Gene meines Vaters“ ist eigentlich das erste Buch, das ich für Erwachsene schreibe. Darin sind Passagen, die für Kinder zu schwierig sind. Aber einer meiner neuesten Romanen für Kinder spielt im Zweiten Weltkrieg, es geht um jüdische Kinder, die in einem Konzentrationslager inhaftiert sind.
Ist es wichtig, diese schwierigen Themen mit Kindern zu verarbeiten?
Es ist für Kinder heute wichtig zu wissen, was im Zweiten Weltkrieg geschehen ist und was für traumatische Erfahrungen Menschen damals gemacht haben. Ich hoffe, dass die Kinder heute zum Beispiel im Umgang mit Flüchtlingskindern anders handeln können, wenn ihnen bewusst ist, was in der Vergangenheit geschehen ist und wie das ihr Leben beeinflusst hat.
Lesung „Die Gene meines Vaters“ mit der Autorin Martine Letterie: 19 Uhr, Seilerstraße 42, Schulmuseum
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