heute in hamburg: „Traumort der Illusion“
KREUZFAHRT In „Dream Boat“ zeigt Tristan Ferland Milewksi eine Reise von 3000 Schwulen
ist Regisseur der für den Deutschen Fernsehpreis nominierten ZDF-Dokumentationsreihe „Make Love“
taz: Herr Ferland Milewski, die Ehe für alle ist beschlossen. Brauchen wir da noch Orte wie das Dream Boat?
Tristan Ferland Milewski: In ein paar wenigen Ländern geht es Richtung Gleichberechtigung. Aber Schutzräume werden noch immer benötigt. Man darf nicht vergessen, dass diese Entwicklungen sehr jung und fragil sind und es sich jederzeit wieder ändern kann.
Ist das Dream Boat überhaupt ein Traumort für Schwule?
Es ist ein Ort, an dem unter anderem Leute aus repressiven Ländern zusammenkommen, die sich das ganze Jahr darauf vorbereiten. Da gibt es dann viele Erwartungen, beispielsweise die Freiheit auf dem Boot. Aber die Passagiere stoßen auf neue normative Regeln und Hindernisse. Es ist also ein Traumort, aber auch ein Ort der Desillusionierung.
Auf welche Hindernisse stoßen Ihre Protagonisten?Es sind innere und äußere Probleme. Ramzi floh aus Palästina vor der Polizei. Für ihn und sein Partner ist die Reise Urlaub. Dipankar aus Indien ist zum ersten Mal unter nur schwulen Männern. Das Freiheitsgefühl überwältigt ihn. Aber er merkt auch, dass es ein harter Ort ist, auf dem er sich mit den vorhandenen Männlichkeits- und Schönheitsidealen behaupten muss. Es ist ein Thema unserer Zeit, dass wir uns selbstoptimieren müssen, um geliebt zu werden.
Ist das eine Form von Intoleranz?Alle nehmen die Wertesysteme ihrer Gesellschaft mit an Bord. Wenn man aus einer repressiven Gesellschaft kommt, in der Schwule diskriminiert werden und alles Weibliche als schlechter und minderwertiger betrachtet wird, kann es passieren, dass man das internalisiert und eventuell auf andere überträgt. Dadurch ist es Selbstdiskriminierung.
Wie kam der Kontakt mit den fünf Protagonisten zustande?
Ich bin 2015 schon mitgefahren. Da habe ich die ersten Protagonisten kennengelernt. Auf Facebook gibt es eine geschlossene Gruppe für den Trip. Dort habe ich den Film angekündigt und bin mit vielen Leuten ins Gespräch gekommen. Es war wichtig, den Film anzukündigen und es zu respektieren, wenn jemand nicht gezeigt werden möchte.Wie fiel die Entscheidung?
Mir war es wichtig, dass jeder Vorgestellte eine emotionale Dringlichkeit hat, auf diese Reise zu gehen. Ich wollte die Vielfalt zeigen. Für jeden ist es auch eine innere Reise.
Interview: Philipp Steffens
Hamburg-Premiere „Dream Boat“, 20 Uhr, Studio-Kino, Bernstorffstraße 93-95
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