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heute in hamburg„Da sprechen die Opfer“

Lesung Bruno Nette war Bremer „Judenreferent“. Nun hat sein Enkel ein Buch über ihn geschrieben

Foto: Privat
Bernhard Nette

71, ist Historiker, Friedensforscher und ehemaliger Lehrer, setzt sich seit Langem für Gewerkschaften ein.

taz: Herr Nette, mochten Sie Ihren Großvater?

Bernhard Nette: Ich kannte ihn kaum. Mit sechs Jahren sollte ich einmal Milch holen. Als ich meinen Namen sagte, verstummte der gesamte Laden und die Verkäuferin sagte: „Nettes kriegen hier keine Milch!“ Zuhause strich mir mein Großvater über den Kopf und sagte: „Wir kriegen auch woanders Milch“, das war alles. Ich hatte kaum Kontakt zu ihm.

Warum nicht?

Meine Eltern mochten ihn überhaupt nicht und das vermittelten sie auch ihren Kindern. Er misshandelte seine Frau und seine Söhne. Und meine Eltern und die ganze übrige Familie waren kommunistisch oder sozialdemokratisch.

Hat sich Ihre Familie mit der NS-Vergangenheit Ihres Großvaters auseinandergesetzt?

Nein. Meine Mutter sagte nur einmal zu mir: „Die Leute mögen deinen Großvater nicht“, und: „Da gab es mal einen großen Prozess“. Das war alles. Ich wusste nur, dass er Polizist war. Vor ungefähr 25 Jahren entdeckte ich zufällig, dass er seit 1941 der sogenannte „Judenreferent“ in Bremen und zuständig für die Deportation Hunderter von Menschen war.

Haben Sie schon vorher zu Ihrem Großvater geforscht?

Nein. Meine Familie hat auch nie so richtig was erzählt. Mein Vater hat immer gesagt: „Das war kein Nazi.“ Er berief sich auf den Prozess von 1949 vor der Bremer Spruchkammer, die seinen Vater als „Minderbelasteten“ einstufte. Mein Großvater hat sich als Judenfreund dargestellt und behauptete, gezwungen worden zu sein. Wenn er etwas jünger gewesen wäre, wäre er wieder in den Bremer Polizeidienst gekommen, wie andere auch.

Welche Quellen standen Ihnen zur Verfügung?

Familiendokumente, bereits existierende historische Werke und Unterlagen aus dem Prozess. Der gründete sich auf die Aussagen der Verwandten der Opfer, überlebender „Halbjuden“ und von Nachbarn. Die befinden sich alle im Staatsarchiv.

Was möchten Sie mit dem Buch erreichen?

Ich möchte den Opfern eine Stimme geben. Die Akten, die sind brüchiges, staubiges, vergilbtes Papier und erst mal weit weg. Aber wenn man das alles liest, kommt es einem plötzlich unheimlich nahe, da sprechen die Opfer plötzlich. Denen wurde damals nicht richtig geglaubt und ich finde, heute sollte man das tun.

Interview: Lena Eckert

Autorenlesung aus „Vergesst ja Nette nicht!“, Curiohaus, 18 Uhr

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