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heute in hamburg„Luther schaute tief ins Glas“

AlkoholDer Theologe Thomas Schleiff über die Bedeutung des Bierkonsums in Luthers Leben

Foto: Kirche Dithmarschen
Thomas Schleiff

67, ist promovierter Theologe und Pastor im Ruhestand im Kreis Dithmarschen. Sein Hobby: Martin Luther.

taz: Herr Schleiff, fördert Bier transzendentale Gedanken?

Thomas Schleiff: In der Luther-Zeit war das Bier ein selbstverständliches Alltagsgetränk. Keiner wäre auf die Idee gekommen, damit Transzendenz-Gedanken zu verbinden. Das Biertrinken war eher auch eine Frage der Hygiene. Das Wasser war schmutzig und der Alkohol hat eben auch die Gefahr einer Infektion verringert. Ich selbst habe Bier aber immer als anregend und beruhigend empfunden.

War Luther ein Trunkenbold?

Er hat sehr regelmäßig Bier und Wein getrunken. Ihm ist auch gelegentlich von gegnerischer Seite vorgeworfen worden, dass er zu tief ins Glas schaue. Aber er hat immer Wert darauf gelegt, dass es nicht ins Maßlose geht. Wenn er seine großen Schriften verfasst hat, war er absolut abstinent. Als er sagte „Hier stehe ich und kann nicht anders“ hat er übrigens gestanden und nicht gewankt.

Warum müssen wir uns im Luther-Jahr denn nun mit Luthers Bierkonsum auseinandersetzen?

Das müssen wir nicht, aber in der Weimarer Ausgabe, die Standardausgabe der Luther-Werke, kommt alleine 250 Mal das deutsche Wort Bier vor.

Und welche Rolle spielt das Bier in Luthers Werk?

Es hat eine große Rolle in seinem Leben gespielt. Sowohl biografisch, also an bestimmten Eckdaten seines Lebens, an denen er tatsächlich das Glas gehoben hat, als auch in der Bilderwelt seiner Sprache. Das Sprachbild, was ich schon seit 40 Jahren im Kopf habe, lautet: „Während ich geschlafen oder mit meinen Freunden Bier getrunken habe, hat Gott in der Welt gehandelt.“ Das ist ein Bild für das Gottvertrauen. Der Mensch darf sich auch mal beim Bier oder beim Schlaf entspannen, aber Gott hat die Zügel in der Hand. Das hat mich schon lange begeistert.

Wie lange beschäftigen sie sich schon mit Luthers Bierkonsum?

Es ist ja eigentlich eine Beschäftigung mit Luther selbst. Ich habe nicht gezielt danach gesucht. Aber beim Lesen von Luther Biografien bin ich auf Hinweise gestoßen und habe mir dazu gelegentlich Notizen gemacht.

Glauben Sie, dass Luthers Bierkonsum einen Einfluss auf seine berühmten Thesen hatte?

Zur Zeit des Thesenanschlags war Luther noch Mönch. Im Kloster wurde üblicherweise Bier getrunken. Allerdings war die Menge des Bierkonsums durch die Klosterordnung sehr streng geregelt.

Interview Tobias Brück

Vortrag „Luther und das Bier“: 19 Uhr, Friedenskirche Altona, Otzenstraße 19

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