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heute in hamburg„Eine Distanz zum Tod bleibt“

Palliativmedizin Ärzten fällt es immer noch schwer, vom Heilen auf Sterbegleitung umzuschalten

Daniel Schäfer

52, Germanist und Mediziner, lehrt seit 1995 am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Kölner Universität.

taz: Herr Schäfer, seit wann kämpfen Ärzte so vehement gegen den Tod?

Daniel Schäfer: Seit der Aufklärung im 17. Jahrhundert. Damals gab es einen Hype um den Scheintod. Die Gesellschaft ertrug es nicht mehr, dass eventuell Menschen begraben wurden, die nicht sicher tot waren. Denn bis dato gab es keine sicheren Todeszeichen außer der Fäulnis. Den Tod stellten meist die Verwandten, vielleicht auch der Sargtischler fest.

Nicht die Ärzte?

Nein. Die bekamen erst in der Aufklärung den Auftrag, möglichst sichere Todesdiagnosen zu stellen. Spätestens seitdem befassen sich Ärzte explizit mit dem Tod, der mithilfe moderner medizinischer Technik dann immer stärker bekämpft wurde.

Und in den Jahrhunderten davor war es egal?

Nein, aber die Ärzte waren sich ihrer Machtlosigkeit im Umgang mit Krankheit bewusst. Es spielte wohl auch eine Rolle, dass viele Menschen an ein Weiterleben glaubten. Wer meint, dass es danach weitergeht, muss den Tod nicht so stark bekämpfen.

Seit wann akzeptieren Ärzte Palliativmedizin?

Das begann in den 1970er-Jahren mit der Debatte um Patientenautonomie, wo es auch um den Umgang mit dem Sterben ging. Zeitgleich wurde die Hirntod-Diagnose eingeführt, gegen den Widerstand vieler Philosophen und Theologen.

Warum?

Sie sagten etwa, der Tod sei kein Zeitpunkt, sondern ein Prozess, der mit dem Aussetzen von Puls, Atmung, Hirnströmen nicht beendet sei. Aber Juristen und Mediziner, die Organe entnehmen wollen, brauchen so einen festgelegten Moment. Aber der „Hirntod“ bleibt eine pragmatische Übereinkunft, die naturwissenschaftlichen Kriterien nicht genügt.

Wie gehen Ärzte heute mit Sterbebegleitung um?

Im Medizinstudium gibt es seit Kurzem den Querschnittsbereich Palliativmedizin. Allerdings ist es ein Spezialaspekt, von dem sich nicht alle angesprochen fühlen. 95 Prozent des Studiums behandeln andere Themen.

Der Konflikt zwischen Heilung und Sterbegleitung bleibt.

Die grundsätzliche Distanz wird bleiben, denn Ärzte handeln kurativ. Auf das Palliative umzuschalten, wenn Heilung nicht möglich ist, fällt vielen menschlich und fachlich sehr schwer.

Interview: ps

Vortag „Der Tod als Grenze der Medizin? Über ärztliche Haltungen und Herausforderungen am Sterbebett“: 18.30 Uhr, UKE, Haus N30b, Frickestr./Ecke Schedestr. Eintritt frei

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