heute in hamburg: „Mindestlohn reicht nicht“
GERECHTIGKEIT Am „Tag zur Beseitigung der Armut“ kritisiert Sozialverband höheres Risiko für Frauen
57, ist Juristin und Hamburger Landesgeschäftsführerin des Sozialverbands Deutschland (SoVD).
taz: Frau Wöhrmann, wieso besteht für Frauen ein höheres Armutsrisiko?
Karin Wöhrmann: Insbesondere geht es um Alleinerziehende und das sind überwiegend Frauen. Zwei Drittel von ihnen sind nicht voll erwerbstätig und nur teilzeitbeschäftigt – entsprechend niedrig ist ihr Einkommen. In aller Regel sind die Frauen an der Armutsgrenze – verdienen also nicht mehr als 60 Prozent des mittleren Einkommens.
Hat der eingeführte Mindestlohn nichts gebracht?
Der Mindestlohn allein reicht nicht, um eine Familie zu ernähren: Sie liegen damit nicht über der Armutsschwelle. Vor allem geht es auch darum, die Frauen, die in aller Regel einen guten Bildungsabschluss haben, in eine Vollzeitbeschäftigung zu kriegen. Wir fordern also nach wie vor die bessere Vereinbarkeit von Beruf, Kindern und Familie.
In Hamburg besteht schon länger der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Ist die Situation da nicht vergleichsweise gut?
Was die Versorgung mit Kita-Plätzen angeht, steht Hamburg gut da. Das Problem sind die Öffnungszeiten, die nicht flexibel genug sind. Sie lassen kaum Spielraum und vertragen sich nicht mit einer Vollzeitbeschäftigung. Wir brauchen Spätöffnungszeiten.
Appellieren Sie hier vor allem an die Kita-Träger?
Das muss auch auf politischer Ebene geregelt werden. Man muss zu einer Ganztagsbetreuung kommen, die auch die Randzeiten mit einschließt und bei der die Kitas nicht um 16 Uhr schließen. Ein anderer Bereich wäre übrigens der des Steuerrechts.
Inwiefern?
Steuerrechtlich entsprechen Alleinerziehende einem normalen Single. Es gibt keine Dynamisierung des Freibetrags für Alleinerziehende.
Lässt sich diesem Problem auf Landesebene begegnen?
Hamburg könnte sich im Bundesrat für eine Änderung des Steuerrechts auf Bundesebene einsetzen. Zudem brauchen wir landesweite Programme, die sich für flexiblere Arbeitsmöglichkeiten für Frauen einsetzen und mehr Angebote in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Gerade hier sind in Hamburg viele Angebote am Wochenende geschlossen. Interview:JPB
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