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heute in hamburg„In die Mitte der Gesellschaft“

Rechtsextremismus Ein Bundeswehrprofessor spricht über Neonazis, AfD und Ethnopluralismus

Foto: privat
Wolfgang Gessenharter

74, emeritierter Professor für Politikwissenschaften an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg.

taz: Herr Gessenharter, in Ihrem Vortrag soll es um die „neuen Rechten“ gehen. Wer sind die?

Wolfgang Gessenharter: Für mich sind die neuen Rechten der Teil des rechten Lagers, der gesellschaftlich eine Rolle spielt. ich meine also nicht Neonazis wie den NSU, der aus dem Untergrund Gewalttaten verbrochen hat. Einen Teil dieser neuen Rechten, nenne ich Bewegungsunternehmer oder Bewegungseliten. Das sind diejenigen, die die Richtung vorgeben.

Es gab ja schon immer Neonazis in Deutschland. Was ist jetzt anders?

Vor allem seit den 1990er-Jahren gibt es die Tendenz, in die Mitte der Gesellschaft hineinzugehen.

Das heißt konkret?

Ein Beispiel ist die AfD, die am Anfang sehr bedacht war, sich ja nichts Rechtsextremes ans Bein binden zu lassen. Das war neu. Ähnlich war das auch bei den Republikanern in den 1990ern, die hatten in Baden-Württemberg teilweise 13 Prozent.

13 Prozent in Baden-Württemberg ist das eine, aber 23 Prozent für die AfD in Sachsen-Anhalt ist doch etwas anderes…

Das stimmt. Wobei das in diesem Ausmaß ein ostdeutsches Problem zu sein scheint. Die AfD ist in einer Situation, wo sie auch Leute anspricht, die Lucke hinterher trauern. Es stellt sich die Frage, wer sich durchsetzt. Ein großer Teil der Partei hat Probleme mit dem Grundgesetz.

Was heißt das?

Viele würden gerne den ersten Artikel umschreiben zu: „Die Würde des Deutschen ist unantastbar.“ Genauso, wie dann die Würde des Österreichers unantastbar wäre, aber eben nur in Österreich. Das nennt man Ethnopluralismus.

Ist die AfD eine Modeerscheinung?

Das ist eine massive Frage an die CDU, weil sie es schaffen müsste, auch Leute am konservativen Rand anzusprechen.

Es ist also nur Aufgabe der CDU, gegenzusteuern?

Auch die anderen Parteien sind gefragt. Alle gemeinsam müssen an Lösungen für die große Spaltung unserer Gesellschaft arbeiten, die auch zu Extremismus führt.

Was fehlt Ihnen in der öffentlichen Debatte?

Dass klar benannt wird, dass Aussagen wie „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, nicht bloß Schnack sind, sondern gegen unsere Grundrechte verstoßen: Wir haben Religionsfreiheit.

Interview:Antonia Stille

Vortrag „Alles Hitler oder was? – Ziele, Strukturen und Strategien der neuen Rechten“: 19 Uhr, Geomatikum, Bundesstraße 55

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