heute in hamburg: Der Preis der Milch
taz Salon Milchbauern sind wegen des desaströsen Milchpreises in ihrer Existenz bedroht
Bedrohlich ist die Entwicklung für Subsahara-Afrika, für die norddeutsche Landschaft und fürs Klima. Aber schon jetzt ein echtes Drama ist sie für die Milchbauern. Seit im Frühjahr 2015 mit der Milchquote das letzte marktregulierende Instrument weggefallen ist, stürzt der Preis ab – im Jahresmittel lag er um 23 Prozent unter dem des Vorjahres. Und der Trend setzt sich 2016 fort.
Zumal die Landwirte, die dem Rat des Bauernverbandes folgend im Vorfeld des Quotenendes auf Wachstum gesetzt und sich hoch verschuldet haben, um ihre Herden zu vergrößern, schauen in die Röhre. Statt von ihrer gesteigerten Melkleistung zu profitieren, haben sie Mühe, die Kredite zu bedienen. Und sie arbeiten zugleich mit an ihrer eigenen Misere: Verzichten sie aufs Melken, fehlen die Einnahmen. Melken sie mehr, beschleunigen den Preisverfall.
Der gilt als vom Weltmarkt bestimmt. Aber der Weltmarkt wird ja auch von hier mitbestimmt. Und Deutschland, größter Milchproduzent der EU, hat seine Mengen seit Jahrhundertbeginn um 14,3 Prozent gesteigert. Und während in Bayern die Zahlen weitgehend stabil geblieben sind, sind im Norden die Herden entstanden, die zu groß sind für den Weidegang – sodass das Grünland vermaist werden kann. Und allein die Niedersachsen haben seit 2000 ihre Liefermenge um 31,8 Prozent erhöht – auf 6,6 Millionen Tonnen. Paradox: Das ist mehr als das Dreißigfache der Milchäquivalent-Menge, die vor dem Embargo aus der EU nach Russland exportiert worden ist, was so fatal gewesen sein soll für die Entwicklung. Und es ist noch immer knapp das Doppelte dessen, was die EU überhaupt in Drittländer exportiert – dabei ist sie nach Neuseeland doch der größte Player des Weltmarkts, von dem doch der Milchpreis so stark abhängt.
Nur wie entsteht diese Abhängigkeit? Hat man möglicherweise vergessen, die eigenen gestalterischen Ziele zu formulieren, die man mit der eigenen Markt-Macht hätte durchsetzen können? Und welche Rolle spielen die genossenschaftlich organisierten Großmolkereien? Haben die gesetzeskonform ihre Geschäftspolitik am Wohl ihrer Mitglieder, der Bauern, ausgerichtet – oder nutzen sie denen gegenüber ihr vom Bundeskartellamt diagnostiziertes Machtgefälle gnadenlos aus? Und wie lässt sich vermeiden, dass DMK, Nestle & Co. nun mit Trockenmilch kleinbäuerlichen Strukturen in Subsahara-Afrika pulverisieren?
Darüber, welche Milchviehwirtschaft künftig wünschenswert und ob sie möglich ist, diskutieren: Kerstin Lanje, Referentin bei Misereor, Hendrik Lübben, Bauer vom niedersächsischen Landvolk, Holger Thiele, Agrarökonom mit Schwerpunkt Agrarpolitik an der Fachhochschule Kiel, Kirsten Wosnitza, Bäuerin vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter Schleswig-Holstein, Moderation: Gernot Knödler, Redakteur der taz.nord. BES
19.30 Uhr, Kulturhaus III&70, Schulterblatt 73, Eintritt frei
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