heute in bremen: „Die Illusion beherrschbarer Atomwaffen“
Sabrina Bläß
30, ist Aktivistin und zuständig für den Aktionsbereich Frieden bei Greenpeace Bremen.
Interview Alina Götz
taz: Frau Bläß, Sie stellen heute auf einem Stadtplan Todesopfer eines möglichen Atombombeneinschlags dar. Warum so drastisch?
Sabrina Bläß: Es ist einfach wichtig, das Thema wieder hervorzukehren und sichtbar zu machen, welche Auswirkungen Atomwaffen haben können. Aktuell wird das in Deutschland, vor allem in politischen Debatten, nicht aktiv behandelt. Jeder hat von Nagasaki und Hiroshima gehört und weiß von den Folgen. Aber es ist im kollektiven Bewusstsein leider sehr verloren gegangen. Um die reale Bedrohung bewusst zu machen und zu zeigen, wie Folgen hier in Bremen aussehen könnten, haben wir uns entschieden, das zu visualisieren. Für die Karte gibt es zwei Schablonen, die die Sprengkraft der Bombe von Hiroshima und des US-Typs darstellen, wie sie in Büchel gelagert wird.
Warum gibt es eine reale Bedrohung?
Zum einen verschärft sich die Situation zwischen Russland und den USA zusehends, ebenso zwischen China und Russland. Der kommandierende Admiral der US-strategischen Streitkräfte, Admiral Richard, hat im Frühjahr gesagt, dass sich die Situation fundamental geändert habe und ein Atomkrieg im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten realistisch sei. Die Bedrohung liegt auch an den Fortschritten in der Atomtechnik: Es gibt auch leichtere und variierbare Sprengsätze. Das verleitet die Menschen zu der Illusion justierbarer oder beherrschbarer Atomwaffen.
Was genau deponiert die USA in Büchel?
Deutschland ist keine Atommacht, aber ein Land mit erweiterter atomarer Teilhabe. Das bedeutet, dass hier atomare Sprengsätze stationiert sind: in Büchel Bomben des Typs B61/7. Die verfügen über eine Sprengkraft, die 13 Mal stärker ist als die Bombe von Hiroshima. Im Falle eines Atomkriegs sind deutsche Pilot*innen verpflichtet, diese Sprengsätze im Auftrag der USA an Orte zu fliegen und sie auch abzuwerfen. Wir wären dann direkt einbezogen.
Hat die Landesregierung Einfluss auf die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags, die Sie fordern?
Protestaktion für atomare Abrüstung in Bremen anlässlich des 76. Jahrestags des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki: 12 Uhr, Marktplatz
Sie kann Druck aufbauen. Alle Landeshauptstädte haben sich schon für die Unterzeichnung eingesetzt. Jetzt vor der Wahl müssen Wähler*innen und Politiker*innen überall die Möglichkeit nutzen, das Thema auf die Agenda zu setzen.
Warum ist Greenpeace heute dabei und kooperiert unter anderem mit dem Bremer Friedensforum und der Bremischen Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung?
Das Bewusstsein für das Thema hat sich bei Greenpeace in den letzten Jahren verstärkt. Frieden ist nicht trennbar von Klimaschutz: Wenn Ressourcen knapp werden, schürt das Konflikte und militärische Auseinandersetzungen. Darunter leiden viele Menschen, die ohnehin schon von der Klimakrise betroffen sind. Es ist spannend, wie dadurch das Bewusstsein der Gründungstage von Greenpeace wieder stärker wird.
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