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heute in bremen„Es gibt ein rechtsterroristisches Potenzial“

Foto: Sio Motion

Matthias Quent 34, Soziologe, ist Gründungsdirektor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft, Jena. Er forscht zu Radikalisierung, Rechtsradikalismus und Hasskriminalität.

Interview Alina Götz

taz: Herr Quent, wenn ich auf einen Nazi treffe – soll ich mit ihm reden oder ihn lieber ignorieren?

Matthias Quent: Das ist eine Frage der Situation. Im Alltag kann es natürlich leicht zu einer Überforderung kommen. Ich würde generell davon abraten, zu hoffen, dass man Neonazis inhaltlich überzeugen kann. Da müssen Profis ran: Sozialarbeiter*innen, Staatsanwält*innen, Psycho­log*innen.

Was können wir denn dann tun, als Einzelperson und als Gesellschaft?

Das wichtigste Gegenmittel ist, nicht selber rechts zu werden oder rechts zu reden. Wir dürfen nicht dieser Inszenierung auf den Leim gehen, wenn sie sagen, „wir sind das Volk“. Sie sind nur ein kleiner, lauter und aggressiver Teil der Bevölkerung. Wir dürfen uns nicht davon beeindrucken lassen, wenn sie besonders provokativ oder schrill werden, wie die AfD oder Teile der Coronademo in Berlin. Und Demokrat*innen müssen die besseren Zukunftsangebote machen.

Was fordern Sie konkret?

Die Länder, die für Justiz und Polizei zuständig sind, sollten wie Sachsen-Anhalt und Brandenburg eine Antirassismus-Klausel in die Verfassung aufnehmen. Transparente und wissenschaftliche Dokumentations- und Forschungsstellen in den Ländern helfen, die große Entwicklungsdynamik zu verstehen und zu kommunizieren. Auch Projektförderungen zu dem Thema sind wichtig. Denn am Ende liegt es an der Gesellschaft, die Normalisierung rechtsradikalen Gedankenguts zu blockieren.

Wen halten Sie für gefährlicher – gewaltbereite Rechtsradikale oder einige Strömungen der Corona-Leugner-Demos und die AfD?

Vortrag „Rechter Terror in Deutschland – Kontinuitäten“: 19 Uhr, Haus der Wissenschaft, Sandstr. 4/5. Mit Livestream unter https://www.demokratiezentrum.bremen.de/

Beides ist auf unterschiedlichen Ebenen problematisch. Das eine sorgt für die angesprochene Normalisierung und versucht, sich in Familien, Medien, Parlamenten und sozialen Netzwerken zu inszenieren. Aber akut sind Antisemitismus, Rassismus und die extreme Rechte eine Gefahr für Leib und Leben, vor allem für Minderheiten. Es gibt ein rechtsterroristisches Potenzial, tickende Zeitbomben. Für diese Gewalttäter ist letztlich die Polizei zuständig, für alles andere die Gesellschaft.

Sie haben an anderer Stelle gesagt, dass Gesellschaft und Politik weitgehend tatenlos zusehen.

Das ist Teil der Buchbeschreibung „Deutschland rechts außen“, keine Momentaufnahme, sondern ein Rückblick. Ab 2015/16 wurde so getan, als wäre die Flüchtlingspolitik Schuld an Rechtsextremismus. Dass extrem rechte Einstellungen, Strukturen und auch Gewalttaten auch nach 1945 immer Teil der Gesellschaft waren, aber nicht ernst genommen wurden, wurde nicht problematisiert – bis sich dieses Potenzial mit der AfD aktiviert und Bahn gebrochen hat, auch mit entsprechenden Folgen bei rechtsextremer Gewalt.

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