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heute in bremen„Bisher wenig Freizeitliteratur“

privat

Christian Glade, 30, arbeitet im Büro für leichte Sprache der Lebenshilfe Bremen.

Interview Lea Schweckendiek

taz: Herr Glade, wie viele Menschen sind auf die Angebote leichter Sprache angewiesen?

Christian Glade: Das ist nicht ganz einfach zu sagen, wir führen ja keine Liste darüber, wer Lese- und Verständnisprobleme hat. Bundesweite Erhebungen lassen aber davon ausgehen, dass rund 40 Prozent der Menschen im erwerbstätigen Alter betroffen sind.

Welche Schwierigkeiten haben die?

Probleme mit dem Lesen und Verstehen können in verschiedener Schwere auftreten. Für Menschen mit einer geistigen Behinderung oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche stellen unbekannte Wörter, verschachtelte Sätze und unübersichtliche Texte oft eine Hürde dar. Leichte Sprache beseitigt diese. Das hilft etwa auch Migrant*innen beim Einstieg ins Sprachelernen. Texte in leichter Sprache können aber für alle Menschen gut sein.

Was übersetzen Sie bei der Lebenshilfe in Leichte Sprache?

Meist geht es darum, Flyer, Verträge, Hausordnungen oder Leitbilder zu übersetzen. Unsere Auftraggeber sind dabei sehr unterschiedlich, oft sind es Sozialverbände und Werkstätten für behinderte Menschen. Mittlerweile kommt aber auch die freie Wirtschaft immer mehr dazu.

Und dann haben Sie noch Projekte, die selbst Geschichten publizieren?

Das ist zum Beispiel das Projekt „Kurze Geschichten in leichter Sprache“, in dem wir bislang 37 Geschichten geschrieben und veröffentlicht haben. In leichter Sprache gibt es bisher wenig Freizeitliteratur. Darum wollen wir das Lesen als Freizeitbeschäftigung mit unserer Arbeit abdecken.

Lesung in leichter Sprache: im Rahmen des bundesweiten Vorlesetags, 12 Uhr, Geschäftsstelle der Lebenshilfe Bremen, Waller Heerstraße 55

Das Projekt „Kurze Geschichten in leichter Sprache“ endet im Januar 2019.

Bis dahin werden wir aber noch eine letzte Publikation herausbringen. Ein dreiteiliger Krimi soll entstehen, der dann auch ein wenig länger wird – trotzdem aber in leichter Sprache aufgeschrieben ist. Krimis, das haben wir im Laufe des Projekts gemerkt, sind ein wahnsinnig beliebtes Genre.

Wieso lesen Sie diese Geschichten nun auch vor?

Unsere Lesungen in leichter Sprache sind inklusiv: Menschen mit und ohne Behinderung lesen gemeinsam vor. Man macht Geschichten dadurch auch einer erweiterten Zielgruppe zugänglich – den Menschen, die gar nicht lesen können.

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