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heute in bremen„Faule gelten als obskur und unangenehm“

Eberhard B. Plümpe, 68, Müßiggänger und Weltenbummler aus Bremen, ist taz-Leser der ersten Stunde, Abo-Nr. 0815.

Interview Gareth Joswig

taz: Herr Plümpe, was halten Sie von der 40-Stunden-Woche?

Eberhard Plümpe: Nichts. Ich bin für eine kürzere Arbeitswoche. 30 Stunden reichen völlig.

Wie soll ich davon die teure Miete zahlen?

Wir haben ja gerade die Woche der Baumwolle in Bremen. Dort ist mal wieder klar geworden, wie grässlich viele Leute etwa Kleidung konsumieren – wenn man seine Konsumptionsstruktur verändert, kann man viel Geld sparen. Ansonsten lohnt es sich, für bessere Lohnverhältnisse zu kämpfen und sich etwa gewerkschaftlich zu organisieren.

Aber das ist doch anstrengend. Auf Ihrer Lesung plädieren Sie doch für Müßiggang.

Ich kann nur dazu raten, Teilzeit zu arbeiten. Ich konnte mir das als Lehrer sicherlich einfacher erlauben, aber mit einem gewissen Maß an Fantasie kann man fast jede Arbeit müßiggängerisch gestalten. Die Jobs, die wirklich keinen Spaß machen, müssten anders verteilt oder entlohnt werden. Jeder sollte das Recht haben, auch mal auf der Bank zu sitzen und einfach die Weser anzuschauen. Besonders die Leute, die ganz hässliche Arbeit machen müssen.

Ist Müßiggang nicht aller Laster Anfang?

Das stimmt nicht. Müßiggang ist aller Lüste Anfang und wer rastet, rostet auch nicht, sondern legt eine Denkpause ein. Müßiggang ist das Gegenteil einer Lebensweise, die viele krank macht und sogar tötet. Ein bedachteres und entschleunigtes Tun kann sehr heilsam sein.

Warum ist Faulheit so negativ konnotiert?

Weil das Arbeitsethos etwas anderes verlangt: stetige Einsatzbereitschaft. Faule Menschen gelten als obskur und unangenehm. Das ist universell und hat mit dem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem wenig zu tun. Wirtschaftsbosse wie der ehemals inhaftierte Ex-Karstadt-Chef Thomas Middelhoff oder auch der verurteilte Reeder Niels Stolberg weisen darauf hin, wie falsch ein nur auf die Arbeit ausgerichteter Lebensstil sein kann.

Was ist das Gute am Nichtstun?

Lesung „Muße und Arbeitsmoral“ mit Eberhard Plümpe und Felix Quadflieg, 20 Uhr, Kunst- und Kulturverein Schule 21, Godehardstr. 21

Man kann ein langes Leben führen, das einen nicht entkräftet. Das ist bei allen Zipperlein auch meine persönliche Hoffnung.

Was tun Sie, um für Müßiggang zu werben?

Wir lesen Gedichte und Prosa zum Thema von bekannten Schriftstellern wie Ernst Jandl, Erich Kästner und Elke Heidenreich.

Was, wenn ich jetzt zu träge bin, um auf Ihre Lesung zu kommen?

Dann bleiben Sie zu Hause und bitten mich, die Texte zuzusenden. Ist doch kein Problem. Es gibt immer eine hübsche Lösung.

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