heute in bremen: „Ziel ist, dass das Land sich selbst hilft“
Anneli-Sofia Räcker,65, ist Psychotherapeutin und gründete den Verein Ketaaketi, der Grundschulbildung und Mikrokredite fördert.
Interview Teresa Wolny
taz: Frau Räcker, warum unterstützen Sie gerade Sierra Leone und Nepal?
Anneli-Sofia Räcker: Ich bin Verfechterin des Prinzips, dass Arm und Reich Hand in Hand gehen, und möchte die ärmsten Länder der Welt mit den reichsten verbinden. Mein Konzept steht dafür, dass wir teilen und nicht nur geben. In Nepal gibt es trotz der Armut eine große Vielfalt und nicht so viele koloniale Schäden. Sierra Leone gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Frage ist, ob eine partnerschaftliche Zusammenarbeit kulturkompatibel ist. In Sierra Leone muss etwa viel mehr verhandelt werden und die Menschen brauchen mehr Ermutigung darin, dass sie selbst mitbestimmen können und dass dies dann auch als ihre Leistung anerkannt wird.
Was sind die Probleme für Kinder in diesen Ländern?
Wir kümmern uns um die Schulbildung für Kinder und parallel dazu um die Mikrofinanzierung von Müttern. Das Ziel ist, dass das Land sich selbst hilft, deswegen initiiere ich landeseigene NGOs. Die Betonung liegt auf der Autonomie im jeweiligen Land, meine Hauptarbeit seit zehn Jahren ist es eigentlich, vom Retter- und Geberdenken wegzukommen und die Selbstbestimmung zu fördern.
Wie sehen die Perspektiven der Kinder aus?
Wir engagieren uns im Wesentlichen für die Grundschulbildung. Unsere Projektpartner bemühen sich jedoch auch um einzelne Kinder, damit sie in weiterführende Schulen kommen. Ein Nepali sagte einmal zu mir, dass zusätzlich zu der Tatsache, dass es für die Ärmsten ansonsten überhaupt keine Schulbildung gäbe, der Schulbesuch den Kindern auch ein Bewusstsein davon vermittle, wer sie sind. Können sie etwa die Zeitung lesen, fühlen sie sich mehr als Teil dieser Welt. Der Schulbesuch dient außerdem als Prävention gegen Prostitution und Ausbeutung.
Wie sieht es mit dem Arbeitsmarkt aus?
Vortrag „Ketaaketi International – Gemeinsam stark in die Zukunft“: 20 Uhr, Villa Ichon, Goetheplatz 4
Die Chancen einer beruflichen Anwendung sind klein, aber wenn Chancen bestehen, dann nur mit Schulbildung.
In einem Reisebericht schreiben Sie, dass Sierra Leone in einigen Bereichen als Vorbild für die Welt dienen kann. Inwiefern?
Es ist beeindruckend, mit was für Power die Frauen dort versuchen, das Geld in ein kleines Existenzgeschäft umzuwandeln. Ich glaube, dass jedes Land kulturspezifische Fähigkeiten hat, von denen wir viel lernen können.
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