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heute in bremen„Erinnern darf kein Selbstzweck sein“

Dora Streibl,24, studiert an der Universität Potsdam Geschichte und jüdische Studien. Sie arbeitet ehrenamtlich zum Thema Erinnerung und Antisemitismus.

Interview Gareth Joswig

taz: Frau Streibl, ist Deutschland Erinnerungsweltmeister?

Dora Streibl: Deutschland gibt sich gerne als Erinnerungsweltmeister. Das ist das grundsätzliche Problem der Aufarbeitung: Hier wird aus dem größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte etwas Positives gedreht. Das ist bezeichnend für die deutsche Erinnerung.

Was wäre besser?

Es sollte darum gehen, was Überlebende und Opfergruppen fordern. Es sollte immer um die Ermordeten gehen und die Verbrechen. Das Erinnern darf keine Selbstzweck werden.

Was halten Sie von dem kürzlich errichteten Stelenfeld vor Höckes Haus, mit dem AktivistInnen den AfDler an das Denkmal für die ermordeten Juden Europas erinnern wollen?

Ich finde es sehr schwierig. Das Zentrum für politische Schönheit hat eher sich selbst im Blick als ein vernünftiges Gedenken an die Opfer. Außerdem wollen sie Höcke zwingen, vor dem nachgebauten Denkmal niederzuknien. Das Niederknien von Willi Brandt war aber tatsächliche Trauer und eine Entschuldigung für die Taten der Deutschen. Mit dieser Aktion bekommt Höcke nur Aufmerksamkeit, die er nicht verdient. Das entlarvt ihn auch nicht, weil ohnehin schon alle wissen, was Höcke will.

Was halten Sie von Stolpersteinen und was ist der richtige Ort zum Erinnern?

Ein dezentrales Gedenken finde ich gut. Im Alltag daran zu erinnern, dass man niemals vergessen darf, was hier Schreckliches passiert ist. Einige Stolperstein-Initiativen recherchieren lokal und setzen sich sinnvoll mit dem Thema auseinander. Andere Leute in Initiativen für Stolpersteine instrumentalisieren Gedenken, um eigene antizionistische Bestrebungen voranzubringen und fordern im selben Atemzug Stolpersteine in Palästina für die dortigen Opfer eines angeblichen Genozids durch die Israelis, womit sie die Schoah relativieren.

Muss Gedenken unbequem sein?

Vortrag „(Un-)bequemes Gedenken – über Stolpersteine, Schuldabwehr und den deutschen Umgang mit der Shoah“, 19 Uhr, Jugendhaus Buchte, Buchtstraße 14/15

Man hat schon oft gehört, dass das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ein Ort ist, zu dem man gerne geht. Dass aber aus Gedenken und Erinnern etwas Gutes wird, ist durchaus problematisch. Allerdings ist es auch mehr als Mahnmäler: In der Gedenkstättenpädagogik gibt es spannende und gut umgesetzte Konzepte – das wird nur zu wenig genutzt. Ebenso ist gute politische Bildung der Schlüssel für ein würdiges Gedenken.

Wie kann Erinnerung funktionieren, wenn der Kontakt zu älteren Familienmitgliedern aus dieser Zeit weniger wird?

Vielleicht ist es sogar besser, wenn es keine familiären Berühungspunkte mehr gibt. Das spricht für eine neutralere und wissenschaftlichere Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Konfrontation mit der Beteiligung der eigenen Familie erlebt ja niemand gerne.

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