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heute in Bremen„Umständliche Strukturen“

Einwanderung Forscher befragten 300 Personen zur Integration. Jetzt stellen sie die Ergebnisse vor

Ulf Over

Jahrgang 1966, Sozialpsychologe an der Universität Bremen, forscht seit über 10 Jahren über Interkulturalität und Integration.

taz: Herr Over, funktioniert die Integration im Einwanderungsland Deutschland?

Ulf Over: Die Menschen, die wir bisher befragt haben, sind da geteilter Meinung. Im Großen und Ganzen läuft vieles gut. Integration funktioniert immer dann gut, wenn beide Seiten gewillt sind, ihr Zusammenleben gut zu gestalten. Dies erfordert auch, dass klar sein muss, welche Werte, Normen und Regeln hier gelten und welche verhandelbar sind.

Welche Defizite haben Sie in ihrer Forschung erkannt?

MigrantInnen beklagen häufig die fehlenden oder umständlichen Strukturen. Viele fühlen sich von den Menschen aufgenommen, vom Staat aber im Stich gelassen. Allerdings sind, gerade mit dem großen Flüchtlingszustrom 2015, Vorurteile und Ablehnung wieder ein Thema. Das betrifft auch Menschen, die vom Aussehen einer anderen Ethnie zugeordnet werden können, deren Eltern aber häufig schon deutsche Staatsbürger waren, als sie auf die Welt kamen.

Wie hat sich die Integrationspolitik seit dem Jahr 2015 gewandelt?

In unserer Pilot-Studie hat die Mehrheit der Befragten gesagt, dass die Wahrnehmung der Integration heute schlechter ist. Die Grenzen des Möglichen schienen vor 2015 unendlich zu sein, hier scheint es etwas mehr Pragmatismus zu geben. Wer aufgenommen wird, sollte schneller als bisher auch eingebunden werden. Menschen monatelang in Untätigkeit im Moratorium zu belassen, ist sicher kein guter Weg.

Wie können Sie der Bremer Politik konkret helfen?

Wir können zeigen, welche Unterschiede es gibt. Wir können auch jetzt schon zeigen, dass es Kontroversen auch innerhalb der Mehrheitsgesellschaft darüber gibt, was eigentlich unter Integration zu verstehen ist. Politik kann mit Hilfe dieser und der geplanten größeren Studie sehr genau erfahren, was gewollt ist und was aus Sicht der Menschen der falsche Weg wäre. Die Menschen sagen uns auch, dass gemeinsame Werte wichtiger sind als die bloße Einforderung von Toleranz.

Was muss sich in der Bildungspolitik verändern, um Geflüchtete besser auf Beruf oder Studium vorzubereiten?

In Bremen ist die Bildungslandschaft da insgesamt auf einem guten Wege. Bildungspolitik müsste aber auch auf Bundesebene einheitlicher werden. Bildungsinstitutionen müssen integrieren. Es müssen mehr entsprechende Fortbildungen für KindergärtnerInnen, LehrerInnen und Hochschullehrende angeboten werden. Letztendlich sollten junge Geflüchtete möglichst schnell in alltägliche Situationen integriert werden, sowohl in Lernumgebungen als auch in der Freizeit.

Interview Philipp Nicolay

Vorträge zur Integration im Einwanderungsland: 16 Uhr, Europa-Punkt Bremen

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