heute in Bremen: „Papiere, die sich ausstellen“
VERNISSAGE Japanische Schriftkunst und ein Eisblock in der Galerie Am Schwarzen Meer
71, ist Galerist und Künstler. Er arbeitet zur Relation von Motiven und bildnerischer Gestaltung.
taz: Herr Rothermel, in der Ausstellung „Kami und Waschi – zeitgenössische Kunst aus Japan“ wird es einen Papierraum geben. Was ist das?
Tilman Rothermel: Auch ich wusste das nicht genau, bevor er aufgebaut wurde. Es ist aber ein abgedunkelter Raum, in dem Papierobjekte schweben. Er bringt die Anmut und Fragilität des Materials zum Ausdruck und auf eine ganze eigene Weise auch dessen Leichtigkeit.
Ist Papier in Japan selbst eine Art Kunst?
Durch die meist deutlich sichtbaren Fasern des japanischen Papiers hat es eine ganz besondere Qualität. Papier mit besonderer Qualität gibt es hier auch, aber doch nicht in dieser grafischen Gestalt, die für Japaner selbst ein künstlerisches Element bildet.
Und das wird ausgestellt?
Die Künstler haben die Papiere selbst angefertigt, teils mit bis zu einem Zentimeter Dicke. Das sind schon richtige Objekte. Was also ausgestellt wird, sind Papiere, die sich selber ausstellen.
Sind die auch bemalt?
Natürlich, wenn auch mit Tusche. Es gibt kaum Farbe, wie es im Westen üblich ist. Die farbliche Qualität ist verhalten und kommt von der Tönung des Papiers. Zudem wurde viel mit kalligrafischen Momenten gearbeitet.
Also mit dem Können, schön zu schreiben. Ist das Kunst?
Die japanische Schriftkultur ist eine völlig andere als hier. Die haben nicht nur vier verschiedene Schriftarten, die sie in einem Text verwenden. Beim Lernen der Zeichen muss ein ganz besonderer Rhythmus eingeübt werden. Zudem hat die Ästhetisierung der Schrift verschiedene Stufen. Bei Meistern der Kalligrafie lösen sich Zeichen von ihrer Funktion als Schrift und die Gestaltung wird autonom. Sie wird zur Chiffre einer geistigen Einstellung.
Aber nicht alle der zwölf KünstlerInnen arbeiten mit Papier. Es wird auch eine Installation geben.
Die Installation ist ein großer Eisblock! Ich bin selber gespannt, wie das aussehen wird. Von der Idee her ist der Eisblock von Steinen umstellt. Das Eis schmilzt natürlich langsam ab, während die Steine sich als festes Element behaupten. Es ist ein Versuch, die philosophische Idee von Vergänglichkeit und Beständigkeit zu interpretieren.
Interview Florian Schlittgen
Galerie Am Schwarzen Meer, 18.30 Uhr
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