heute in Bremen: „Sprache ist Visitenkarte“
Vortrag Bewusster Einsatz von Sprache erleichtert den Alltag. Jens Krüger erklärt, wie das geht
55, steht kurz vor der Prüfung zum Dozenten und Coach für Lingva Eterna, der ewigen Sprache.
taz: Herr, Krüger, ich habe ein Attentat auf Sie vor. Wir wollten erst später telefonieren - darf ich Ihnen jetzt 15 Minuten Ihrer Zeit stehlen?
Jens Krüger: Hier haben wir gleich zwei Beispiele dafür, dass Sie etwas anderes meinen, als das, was Sie sagen. Sicher wollen Sie mich nicht töten oder bestehlen, Ihre verwendeten Worte meinen genau das. Allgemein gibt es sehr viel Gewalt in der deutschen Sprache. Ich werde Sie zum Beispiel am Ende des Gesprächs „abwürgen“, weil ich nicht viel Zeit habe.
Sagen Sie denn immer, was sie meinen?
Ich versuche, mich klar auszudrücken und zielgerichtet zu sprechen. Der Gebrauch von Sprache ist viel mit Gewohnheit verbunden, deswegen ist der bewusste Einsatz von Sprache auch ein lebenslanger Lernprozess.
Wie spricht man zielgerichtet?
Haben Sie bemerkt, dass sie gerade „man“ verwendet haben? Das tun viele Leute unbewusst. Mir signalisiert das aber, dass Sie sich nicht selber in die Frage einschließen. Häufig wird das „man“ in Kombination mit „müssen“ und „halt“ verwendet. Menschen, die so sprechen sind oft wenig entscheidungsfreudig. Die Sprache ist sozusagen die persönliche Visitenkarte eines Einzelnen.
Sie geben heute also Ratschläge zum bewussten Sprechen?
Ich mache Menschen bewusst, was mir an ihrer Sprache auffällt, aber nur, wenn diese das auch wollen. Sprache ist immer so individuell wie die Persönlichkeit. Wenn ich also unaufgefordert einen Ratschlag gebe, wirkt das wie ein Schlag und ist ein Eingriff in die Persönlichkeit.
Haben Sie trotzdem einen Tipp zum zielgerichten Sprechen?
Beschreiben Sie positiv, was Sie wollen. Für das Gehirn ist die positive Formulierung einfacher zu verarbeiten. Es ist eine Zusatzleistung, die eigentliche Bedeutung des negativ formulierten Satzes zu erfassen. Gerade Kinder tun aus diesem Grund häufig, was sie eigentlich nicht tun sollen. Wenn Sie zum Beispiel ein Kind auf die Straße rennt und Sie rufen „Renn nicht auf die Straße“, wird das unter Umständen zu langsam verarbeitet und das Kind hält nicht an. „Bleib bitte auf dem Bordstein stehen“, führt eher zur gewünschten Reaktion.
Sie sagten, dass Sie nicht viel Zeit hätten, haben Sie nächste Woche viele Termine?
Diese Formulierung ist auch typisch und eigentlich grammatikalisch falsch. Sie sprechen über Ereignisse in der Zukunft, durch die Verwendung der Gegenwartsform bringen Sie Hektik in den Alltag.
Interview Vanessa Reiber
19 Uhr, Bürgerhaus Weserterrassen,Anmeldung:0421 – 549 49-0
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen