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heute in Bremen„Selbstgesteuerte Evolution“

Vortrag Psychologe Michael Wunder spricht über Genetik, Eugenik und die Lage der Wissenschaft

Michael Wunder

64, ist Psychologe und Psychotherapeut in Hamburg, war von 2008 bis 2016 Mitglied des im Deutschen Ethikrats

taz: Herr Wunder, ist es richtig, das menschliche Erbgut zu verbessern?

Michael Wunder: Das ist die Grundsatzfrage der Eugenik. Wer das für richtig hält, hält den Menschen für verbesserungswürdig und -fähig. Ich tue das nicht. Allerdings halte ich die Bekämpfung schwerer Krankheiten auch mit den Mitteln der Genmedizin für richtig, jedoch nur, wenn es diese keine Nachwirkungen auf folgende Generationen haben.

Kann daraus Ungleichheit folgen?

Wenn man das „Genome Editing“ konsequent zu Ende denkt, führt das zu einer selbstgesteuerten Evolution des Menschen. Die kann leicht dazu führen, dass Menschen über die genetische Konstitution anderer Menschen entscheiden. Sie entscheiden vielleicht nur über bestimmte Menschen.

Wie schmal ist der Grad zur Rassenhygiene?

Geschichtlich ist er minimal. Erst am Vorabend des Überfalls auf Polen 1939 haben sich viele anerkannte Eugeniker von der Rassentheorie der Nazis distanziert. Bis dahin sind beide Strömungen einen gemeinsamen Weg gegangen. Der Wunsch, den Menschen genetisch zu verbessern, ist geblieben. Der Unterschied zwischen Eugenik und Rassenhygiene zeigte sich in den Mitteln: Zwang oder Freiwilligkeit, staatliches Programm oder Einsicht.

Wie können Genetik und Eugenik die Lebensqualität erhöhen?

Stellen Sie sich ein Paar vor, das ein durch eine feststellbare genetische Abweichung schwer behindertes Kind hat. Die Diagnose im vorgeburtlichen Bereich kann dafür sorgen, dass dem Paar die Geburt eines weiteren schwer behinderten Kindes mit dieser genetischen Abweichung erspart bleibt. Dafür kann man Verständnis haben, ohne es in jedem Falle gutzuheißen.

Welche Methoden stehen heute zur Verfügung?

Pränataldiagnostik steht allen Paaren zur Verfügung, Präimplantationsdiagnostik (PID) Paaren mit bekannten genetischen Belastungen. Therapien mit Stammzellen bieten sich bei bestimmten Erkrankungen an, haben aber keine folgen für später Geborene.

Wie sollten die ethischen Grenzen bestimmt werden?

Wenn wir Krankheitskataloge erstellen und sagen, wo PID erlaubt ist, öffnen wir die Tür für alle jeweils betroffenen Paare. Andererseits müssen wir unterscheiden zwischen Behinderungen, die gut mit dem Leben vereinbar sind wie etwa Down-Syndrom und solchen, die schon im frühen Kindesalter zu einem qualvollen Tode führen. Alle PID-Ethikkommissionen haben sich aber gegen feste Krankheitskataloge ausgesprochen. In jedem Einzelfall wird abgewogen, was ich auch für richtig halte.

Muss jeder wissenschaftliche Fortschritt umgesetzt werden?

Meine Meinung: Man kann und muss die Forschung natürlich regulieren, aber der Erkenntnisfortschritt ist nicht wirklich aufzuhalten. Man kann nur hoffen, dass Vernunft dann Grenzen bei der Anwendung zieht.

Interview: Sebastian Krüger

17 Uhr, Obere Rathaushalle, Am Markt 21

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