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heute in Bremen„Ich war eher erleichtert“

LESUNG Eine Asperger-Autistin berichtet über ihr wunderbares Leben und die Vorurteile darüber

Denis Linke

27, ist Autorin des Buches "Nicht normal, aber das richtig gut" und Herausgeberin des Magazins "N#mmer" für "Autisten, ADHSler und Astronauten"

taz: Frau Linke, über Sie wird oft geschrieben, Sie „leiden“ an Autismus. Ist das nicht schon der falsche Ansatz?

Denis Linke: In meinen Augen: Ja! Ich empfinde das jedenfalls nicht so.

Deshalb haben Sie auch ein Buch über ihr „wunderbares Leben mit Autismus und ADHS“ geschrieben. Was macht ihr Leben so wunderbar?

Sehr vieles! Mein Leben ist supertoll auf meine Bedürfnisse zugeschnitten – ich habe einen kreativen Job, einen eigenen Verlag und kann mir meine Zeit und mein Leben frei einteilen, ohne dass mich jemand kon­trolliert.

Bekommen Sie viel Mitleid, weil Sie Asperger-Autistin sind?

Nach der Diagnose haben auch Menschen, die ich gut kannte, von einer „großen Tragödie“ gesprochen, sie dachten, ich sei nun schwer getroffen und behindert. In den Medien hieß es, ich sei eine „starke Frau“, „trotz“ meines Autismus. Ich selbst war eher erleichtert, als ich die Diagnose bekam. Und für meinen Beruf war sie durchaus eine Hilfe.

Warum?

Weil ich die Welt anders wahrnehme und deshalb auch eine spezielle Art habe, die Dinge zu beschreiben. Als Autist neigt man dazu, sich auf die Details zu konzentrieren, während nichtbetroffene, neurotypische Menschen eher das große Ganze erwähnen. Im meinem Beruf, dem Journalismus, gäbe es oft ein stimmigeres Gesamtbild, wenn man einen Autor hat, der Autist ist, und einen anderen, der neurotypisch ist.

Das Bild von Autisten ist immer noch stark von Vorurteilen und Filmen wie „Rainman“ geprägt – und defizitorientiert.

Es herrschen immer noch die gängigen Bilder vor, in denen es meist um schweigsame Männer geht, und um technische Berufe, und nicht um Frauen oder Menschen, die Kinder haben. Da fällt eine wie ich schnell aus dem allgemeinen Narrativ heraus.

Wie kann man dieses Bild denn ändern?

Das ist schwierig – und ein langwieriger Prozess. Es gibt aber immer mehr Autisten, die an die Öffentlichkeit gehen und die Vielfältigkeit der Autisten zeigen. Interview: JAN ZIER

19 Uhr, Martinsclub, Buntentorsteinweg 24/26

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