herzensort: Schatzsuche im Kinderparadies
Der Esstisch konnte seine ursprüngliche Funktion nie erfüllen: Dort türmten sich Bücher, Zeitschriften und alte Magazine. Dazwischen lagen Postkarten, zerknitterte Notizen. Für Teller gab es hier keinen Platz. Das war mir egal, ich wollte lieber lesen.
Sie war ein echtes Paradies, die Wohnung meiner Oma. Für Kinder jedenfalls – die Erwachsenen schienen weniger amüsiert. In der Küche konnte man schlecht kochen, überall lagen Dinge. Dafür ging ich dort auf Schatzsuche. Im Wohnzimmer liefen Tierdokus in Dauerschleife – man konnte ganze Kuhgeburten mitverfolgen. Im Badezimmer hörte man das leise Plätschern der Schildkröten. Sie waren in der Badewanne zu Hause. Vor der Balkontür hing ein Vorhang aus blauen Bändchen. Mit ihnen übte ich fleißig das Flechten, während die Erwachsenen ihren Kaffee tranken. Wenn man leise an ihnen vorbei ins Schlafzimmer schlich, konnte man die Kanarienvögel besuchen. Sie wohnten in großen Käfigen und zwitscherten munter vor sich hin. Omas Wohnung war ein Paradies, ich fühlte mich hier pudelwohl und verstand nie, warum die Erwachsenen meckerten. Mir war hier nie langweilig. Lisette Habig
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