herzensort: Osterhasen in Neukölln
Zwei Hasen auf der Flucht – einer von ihnen, in blauer Uniform, hält eine Trompete und einen Brief mit der Aufschrift „Neuköllner Oper“ in der Hand. Der zweite trägt einen Korb mit Ostereiern auf dem Rücken. Ein Vogel mit Gehstock schaut aus Bühnenvorhängen, ein Mann schwebt durch einen Ring in der Luft. Ein maskierter Harlekin hält einen Hirschschädel in der Hand, als wolle er Hamlets Monolog „To be or not to be“ rezitieren. Dazu ein Graffiti: „Es gibt keinen Plan.“
Dieses rätselhafte Wandbild ist es, was ich aus dem Café eines Biosupermarktes in Berlin-Neukölln durch die Glaswand sehe. Auf dem Rückweg von meiner Physiotherapie bestelle ich dort immer Cappuccino. Bei Schnee und Regen, aber auch bei frühlingshaftem Wetter sitze ich gerne an diesem um die Ecke versteckten Tisch. Denn hier ist die Karl-Marx-Straße wie stumm geschaltet. Dafür höre ich Kassengeräusche, das Rattern der Einkaufswagen und das Rascheln von Papier, in das die Backwaren eingewickelt werden. „Wir bringen ein Stück Land nach Berlin“, steht an der Wand hinter mir. Ob dieser Satz wohl zu mir passt, wenn man mich von außen betrachtet? Luciana Ferrando
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