hertha-countdown: Noch vier Tage
Im Kopf von Rui Marques
Im Moment würden Trainer Jürgen Röber und Manager Dieter Hoeneß gern in den Kopf von Rui Marques kriechen. Dort steht nämlich geschrieben, wie viele Tore Alex Alves in der kommenden Bundesligasaison für Hertha BSC zu schießen gedenkt.
Alves hat mit dem Portugiesen im Trainingslager im österreichischen Kaprun ein Zimmer geteilt. Da konnte sich der Brasilianer mit dem Neuzugang vom SSV Ulm bestens unterhalten. In einer stillen Stunde also verriet Alves dem Kollegen aus der Abwehr die ominöse Zahl, forderte aber zugleich Stillschweigen von Marques darüber.
Was kein Geheimnis ist: Bisher hat Alves in 15 Einsätzen vier Tore geschossen, nur viermal sah man den Schraubenziehertanz Capoeira von ihm in Bundesliga-Duellen. Eine magere Ausbeute für den Mann mit dem stolzen Namen Alexandre Alves do Nascimento. Ein berühmter Kicker hieß ähnlich: Edson Arantes do Nascimento nannte sich kurz Pele. Ihn kennt Alves nur von alten Fernsehbildern. Und überhaupt mag er Zico und Maradona viel lieber.
Alves kam von Cruzeiro Belo Horizonte für 15,2 Millionen, inklusive ein Handgeld über 1,2 Millionen Mark, nach Berlin. Der zähe Start Anfang dieses Jahres war vorherzusehen. Der 25-Jährige hatte 60 Spiele in den Beinen, konnte kein Deutsch, kam in eine fremde, zu dieser Jahreszeit noch erbärmlich kalte Umgebung. Weil Hertha sich der Umstände bewusst war, brachte man viel Geduld auf, eine Neigung, auf die Alves nun nicht mehr bauen sollte.
Viel hat sich verändert: Sein Dolmetscher Nilton Maldaner ist in der Heimat geblieben und, was wesentlich schlimmer ist, auch seine Freundin Nadia Franca samt Tochter Alessandra. Eigentlich wollten die beiden in der Hauptstadt heiraten, nun stellt Alves fest: „Ich muss allein die alltäglichen Dinge bewerkstelligen, allein einkaufen, einfach alles selbst machen.“
Zum Beispiel ein paar Brocken Deutsch mehr lernen. Jetzt kann er schon „Alles klar, alles gut“ und „Jetzt machen wir Schluss“ radebrechen. Wegen der Sprachbarriere war er in der Mannschaft isoliert.
Der Argwohn über den teuersten Einkauf in der über 100-jährigen Geschichte von Hertha wuchs: Manche Spieler kolportierten, er sei trainingsfaul; man erregte sich über Alves' unerlaubte Handygespräche im Mannschaftsbus, und seine Spielsperre zu Beginn der Bundesligasaison wird manch einer als logische Folge mangelnder Integrationsbereitschaft sehen. Im Ligapokal gegen den HSV wurde Alves vom Platz gestellt, weil er den Ex-Herthaner Niko Kovac ein wenig geschubst hatte. Röber stand ihm wiederum bei, sagte: „Wer hat sich schon immer unter Kontrolle.“ Doch wie lange noch wird er den nachsichtigen Herbergsvater mimen?
„In Berlin wird ernsthafter trainiert. Zu Hause war alles lockerer. Wir hatten viel Spaß“, vergleicht Alves. Noch zwei Jahre läuft sein Vertrag. Er wird gebraucht, nicht zuletzt, weil Ali Daei im Saisonverlauf wochenlang an die iranische Nationalmannschaft abgestellt werden muss.
Aber als Ersatz taugt der 1,78 Meter große Stürmer sowieso nicht: „Ich will spielen, ich will immer spielen. Möglichst jeden Tag.“ Und nicht zu vergessen: Tore schießen. Marques weiß schon mal, wie viele es sein werden. MARKUS VÖLKER
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