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herr tietz macht einen weiten einwurfFRITZ TIETZ über die Kunst des Namengebens

Vorteil Graf

Bald ist es so weit. Dann wird Deutschlands erfolgreichste Tennisspielerin, Stefanie Graf, ein hoffentlich ebenso erfolgreiches Baby zur Welt bringen (oder sagt man bei gebärenden Tennisspielerinnen: auf die richtige Wiese setzen?), und zwar einen Jungen, wie seine berühmte Mutter und sein nicht minder berühmter Vater Andre Agassi schon lange wissen und es vor kurzem erst der Weltöffentlichkeit verraten haben. Die hoffnungsfrohen Eltern suchen allerdings noch einen Namen für ihr Kind und sind dankbar für gute Vorschläge. Das meldete die Bild am Sonntag. Der Internetanbieter AOL hat eigens eine Seite eingerichtet, an die man seinen Favoriten mailen kann.

„Ein klein wenig außergewöhnlich sollte er schon sein,“ darum hat Frau Graf alle Namensgeber ausdrücklich gebeten. Schon sind zahlreiche User-Vorschläge eingegangen, darunter auch so außergewöhnliche wie Daniel, Thomas, Michael oder Fred. Auch der Name Stefan wird mehrfach genannt und diese Wahl von einem seiner Einsender sogar begründet: Schließlich setze sich Stefan aus den Anfangssilben der Elternvornamen zusammen, was geradezu ein Symbol und ständiger Fingerzeig für deren Liebe sei, die sich da im Kindsnamen quasi manifestiere. Zwar gäbe, strenggenommen, mit dem „Ste“ und dem „f „ die Mutter sogar eineinhalb Silben von ihrem Namen dazu, aber ich will nicht kleinlich sein. Den lediglich einsilbig beteiligten Vater dürfte das jedenfalls kaum weiter stören.

Mein bisheriger Liebling aus der Vorschlags-Mailliste stammt von einem Gunter Saltzer und lautet: „Solcher Mist gehört nicht ins Internet“; wobei ich bei diesem Namenswurm für eine durchgehende Großschreibung plädieren würde und das „ö“ in Gehört in „oe“ umwandeln würde, weil ja in der Muttersprache des Vaters der o-Umlaut nicht vorkommt. Dennoch dürfte es interessant sein, dereinst einmal zu hören, wie Mr. Agassi rein aussprachlich mit SolcherMistGehoertNichtInsInternet klar käme.

Ratsam wäre natürlich auch, aus so einer langen Vornamenskette einen als Rufnamen auszuwählen, weil es das nachher für alle Beteiligten sicher etwas einfacher machte. Man muß sich nur mal vorstellen, wenn später der Junge von der Mutter immer mit vollem Namen gerufen würde: „SolcherMistGehoertNichtInsInternet! Reinkommen! Essen!“ Der Mittagessensruf gilt sowieso als recht zuverlässiger pronataler Test für einen reibungslosen Kindsnamensgebrauch im späteren Alltag – dies auch als Hinweis für alle, die ihr Kind Moses, Frederic, Tabaluga, Sigurd, Puff Daddy oder ähnlich extravagant zu nennen planen. Man muß sich dazu nur aus dem Fenster lehnen und den vorgesehenen Namenexoten einmal möglichst laut über die Straße rufen. Wer dann immer noch davon überzeugt ist, die richtige Wahl getroffen zu haben, dem ist dann allerdings nicht mehr zu helfen – und seinem Kind höchstens später mal mit einer aufwändigen Pränominal-Therapie.

Welches Glied aber aus dem Namenswurm SolcherMistGehoertNichtInsInternet eignet sich am besten als Rufname für Frau Grafs Sohn? Ich habe den Ruftest gemacht. Nach meinem Dafürhalten geht bis auf „Gehoert“ eigentlich alles. Gehoert könnte insofern problematisch werden, falls die deutschsprachig erziehende Frau Graf ihren Sohn einmal mit dem mahnenden Zusatz „Hast Du nicht gehört?“ zu rufen gezwungen wäre: „Gehoert! Reinkommen! Essen! Hast Du nicht gehört?“ – das klingt für mein Gefühl ein bisschen sehr albern.

Endgültig festlegen mit meinem Vorschlag möchte ich mich allerdings erst, wenn raus ist, auf welchen Nachnamen der Bengel hören wird. Falls sich die Eltern für Graf entscheiden, könnte ich mir gut auch „Vorteil“ als geeigneten Vornamen vorstellen: Vorteil Graf; bzw. Advantage Agassi, wie er natürlich heißen müßte, falls der Nachname des Vaters der des Jungen wird.

Fotohinweis:Fritz Tietz, 42, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

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