hamburger szene von Andrea Maestro: Verdammt zum Schweinerestaurant
Warum hält sich eigentlich ausgerechnet der Schweinske in Wilhelmsburg?“, habe ich mich gefragt, als ich vor Kurzem über den Berta-Kröger-Platz in Wilhelmsburg geschlendert bin. Der Platz neben dem Luna-Center ist ziemlich groß, weil hier dienstags und freitags der Wilhelmsburger Wochenmarkt draufpassen muss. Architektonisch herrscht Tristesse, aber die Menschen eignen sich die große, graue Fläche an: Auf den Bänken an der Seite sitzen ein paar Frauen, viele davon mit Kopftuch. Ein paar Kinder kreischen und spritzen sich mit einer Super-Soaker nass.
Viele Menschen in diesem Stadtteil sind Muslime. Über 60 Prozent der WilhelmsburgerInnen haben einen Migrationshintergrund. Und trotzdem gibt es außerhalb des Einkaufszentrums nur ein einziges Restaurant, in das man in unmittelbarer Nähe der S-Bahn-Station gehen kann: den Schweinske. Zumindest, wenn man nicht nur schnell einen Döner auf die Hand oder sich einen Burger von MC Donalds reinziehen möchte. Die angesagteren Läden liegen rund um den Vogelhüttendeich und sind ganz schön weit weg.
Nun trifft das Problem auch mich, als ich mit meinen Eltern essen gehen möchte. Drinnen hängen Plüsch-Schweineköpfe, die Wände sind mit rosa Schweinchen bemalt. Eine Partytruppe sitzt auf der Terrasse, Glitzer im Gesicht, ein paar Leute lehnen am Holztresen, ein Rentnerpärchen rollt mit zwei E-Rollstühlen herein – und am Nachbartisch trägt eine Frau tatsächlich ein Kopftuch.
Ich will ihr nicht auf den Teller starren, auch wenn es mich interessieren würde, was eine offenbar gläubige Muslima in diesem Schweineparadies isst.
Ich schaue wieder an meinen eigenen Tisch. Uns sieht man es nicht so an, aber auch wir sind zum Schweinske verdammt. Unsere Mägen knurren. Zwei der drei Menschen, die hier sitzen, sind Vegetarierinnen. Nur mein Vater bestellt sich ein Bauernfrühstück mit klein geschnittenem, totem Schwein. Ich bestelle Salat – und wünsche mir einen Veganske in Wilhelmsburg. Von mir aus auch einen Halalske, solange man dort auch mal mit der Familie gemütlich sitzen kann und es neben Fleisch auch Auberginen in Tomatensoße oder Falafel gibt.
Aber so ist das mit Monopolen. Man kann sie nicht umgehen. Nächstes Mal bestelle ich eben die Ofenkartoffel.
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