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Archiv-Artikel

halb gewaschen beim tüv von RALF SOTSCHECK

Früher galt ein Ire, der sein Auto wusch, als verschroben. Die meisten betagten Kisten, die sich über die Straßen schleppten, wurden nur vom Dreck mühsam zusammengehalten. Dann führten sie auf der Grünen Insel vor fünf Jahren den TÜV ein, und danach sind die erbarmungswürdigsten Kisten von den Straßen verschwunden.

Der TÜV verlangt, dass man das Auto frisch gewaschen und geföhnt vorführt. Seitdem gibt es Autowaschanlagen in Irland, denn es gilt noch immer als exzentrisch, mit Schwamm und Wassereimer selbst Hand anzulegen. Diesen Service bieten höchstens Kleinkinder an, die sich ein paar Cent für Gummibärchen verdienen wollen. Da die Kids aber nur bis zum Türgriff reichen, bleibt die obere Hälfte des Wagens schmutzig. Auch die Waschanlagen haben Nachteile. Es sind keine Waschstraßen, wie man sie im autowaschzwanghaften Deutschland kennt, sondern einfachere Einrichtungen. Manche sind allerdings zu einfach.

Ich musste neulich mit meinem Kleinstwagen zum TÜV und wollte mit einem blitzsauberen Auto dafür sorgen, dass nicht gleich der erste Eindruck meine Chancen verdirbt. Aber schon die erste Waschanlage, die ich aufsuchte, war außer Betrieb – seit Monaten schon, wie der Tankwart erklärte: „Das Ersatzteil ist einfach nicht zu bekommen.“

Die zweite, eine Shell-Tankstelle, versprach in großer gelber Reklame einen „Car Wash“. Ich folgte dem Leuchtpfeil und stellte überrascht fest, dass es sich bei der Waschanlage um einen Kasten mit Schlauch und Münzeinwurf handelte. Warf man eine Münze hinein, kam Wasser aus dem Schlauch. Das könnte man freilich auch zu Hause tun, und zwar ohne Münzeinwurf. Der einzige Vorteil bei der Shell-Tankstelle ist, dass man durch eine Sichtblende aus gefrostetem Plexiglas geschützt ist und sich nicht dem Spott der Nachbarn wegen der ulkigen Freizeitbeschäftigung aussetzen muss. Dafür war aber jetzt keine Zeit mehr, denn der TÜV schreibt eine exakte Uhrzeit vor, die man einhalten muss, wenn man nicht von vornherein durchfallen will.

Die Esso-Tankstelle warb mit einer „Autowäsche wie von Hand“. Gaben sie einem etwa einen Eimer Wasser und einen Lappen? Es war dann doch ein wenig moderner. Für sechs Euro durfte man an einen Rahmen fahren, an dem flauschige, rotierende Bürsten angebracht waren. Ein elektronischer Bildschirm dirigierte einen in die richtige Position: „Vorwärts! Stopp! Ein bisschen zurück! Stopp!“ Gab man nun den Code, den man für sechs Euro erhalten hatte, in die Tastatur, rollte der Rahmen auf Schienen langsam am Auto vorbei.

So weit, so gut. Plötzlich gab es einen Knall, die Bürsten hörten auf zu rotieren und kamen genau an den beiden Türen zum Stehen. Die dritte Bürste lag quer auf der Windschutzscheibe. Ich war im Auto gefangen. Irgendwann bemerkte auch der Tankwart den Kurzschluss und zog die Bürsten zur Seite, sodass ich rückwärts aus der Waschanlage hinausfahren konnte.

Beim TÜV ging wider Erwarten alles glatt, doch der Prüfer war neugierig. Es komme ja oft vor, sagte er, dass Autos vorgeführt werden, bei denen lediglich die untere Hälfte sauber ist, weil Kleinkinder am Werk waren. Aber nur die vordere Hälfte?