grüne woche: Der Debatten einfach müde
Gleich auf drei Feldern – Menschenrechte, Atom und Umwelt – haben sich die Grünen in den vergangenen zwei Wochen mit fast schon routinierter Gelassenheit in das angeblich Unvermeidliche gefügt. Da war der Verkauf der Munitionsfabrik an die Türkei, die mit deutschen Kugeln künftig Kurden töten darf; da ist die Exportgenehmigung für die Hanauer Plutoniumanlage nach Russland, das auf der „Kursk“ gerade eindrucksvoll seine technischen Fertigkeiten unter Beweis gestellt hat; und schlussendlich ist da der Ausbau der Flughäfen.
Kommentarvon SEVERIN WEILAND
Für all diese Entscheidungen mag man gute Gründe anführen. Auffällig ist jedoch, wie wenig den Grünen daran gelegen ist, sie zu vermitteln. Die Partei müsse sich neu erfinden, hat Außenminister Joschka Fischer jüngst in dieser Zeitung erklärt. Das klingt gut und irgendwie griffig. Nur: Für den Einzelnen ist das schon schwer genug, für Großgruppen fast unmöglich. Mitglieder und Wähler wollen wissen, warum man für größere Flughäfen oder für den Export einer Fabrik ist – in ein Land, das tonnenweise Plutonium herumliegen hat.
Auf solche Erläuterungen für den grünen Politikwandel wartet man bisher vergeblich. Als glaubte die Partei, die Sommerpause werde es schon richten und all die heiklen Fragen still verschlucken. Vergessen wird dabei, dass die Grünen eben nicht – noch nicht – die Nachfolger der FDP sind. Sie wuchsen nicht auf in dem Verständnis, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland die Grundlage ist, auf der sich alle Politik aufbaut. Im Gegenteil: Mehr noch als alle anderen waren und sind Fragen der politischen Moral Bestandteil des grünen Selbstverständnisses. Flügelübergreifend.
Die Grünen haben sich in vielen Bereichen weit hinausgewagt, gerade bei den Menschenrechten. Das macht sie heute verwundbarer als andere. Das Argument, die Sachzwänge der Regierungsarbeit ließen vieles nicht zu, was man sich wünscht, stimmt häufig – aber eben nicht in jedem Fall. Vor allem sind die Sachzwänge kein Ersatz für eine Debatte, die die Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Handelns offen legt. Manche der grünen Akteure scheinen diesen Anspruch aufgegeben zu haben. Ja, es scheint, als käme ihnen das Korsett der Regierungsverantwortung und der Koalitionsräson gar zupass. Was die Alternative für das ist, von dem man sich trennt, weiß man zwar auch dort nicht so recht. Derweil lässt man sich treiben. Macht Politik auf leisen Sohlen. Still und effizient. Routiniert. Das aber ist der Tod der Grünen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen