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großraumdiscoAlle bereit für die Party? Bereit zum Tanzen? Yeah!

In seiner nigerianischen Heimat ist Ruger eine große Nummer. In Bremen ist noch Luft nach oben. Das Publikum im Aladin aber zeigt sich begeistert

In der ganzen Stadt hängen sie, die kleinen Poster, die die Ankunft von Ruger verkünden. Das Plakat zeigt das Porträt eines Mannes mit markanter Augenklappe, ein Datum und den Veranstaltungsort.

Ruger, das lässt sich leicht googeln, heißt eigentlich Michael Adebayo Olayinka. Er kommt aus der nigerianischen Megapolis Lagos und ist in seiner Heimat eine große Nummer. Stadionformat. Seine Musik: Afrobeats – nicht zu verwechseln mit dem oft politisch aufgeladenen Afrobeat von Fela Kuti. Afrobeats vereint eine Vielzahl von Einflüssen afrikanischer und westlicher Musik. Protagonisten wie Burna Boy, Wizkid und Asake spielen längst in den Stadien der Welt.

Die Aladin Music Hall scheint da doch ein eigenartiger Ort für den neuen Star der Szene zu sein. Seit 1977 ist der Bremer Club vor allem für beeindruckende Lautstärke (Spitzname: „Dröhn“) und Rockmusik bekannt. In den 90er Jahren feierte hier die Jungle- und Drum’n’Bass-Szene. Heute stehen Motto-Partys wie „Hüttengaudi“, „Mama geht tanzen“ und Konzerte von Rock- und Pop-Bands auf dem Programm. Ein afrikanischer Superstar dürfte dort noch nie aufgetreten sein.

Das Publikum am Samstagabend ist dann auch nicht die typische Aladin-Klientel: es ist überwiegend jung, mehrheitlich schwarz und aufregend herausgeputzt für den Abend. Keine Spur des Weltmusik-Publikums, das sich bei den einschlägigen Konzerten in den Kulturzentren der Stadt einfindet.

Von einer Mitarbeiterin des Klubs, der seinen Saal für diesen Abend nur vermietet hat, hören wir, die Veranstaltenden hätten nach eigenen Angaben 1.700 Tickets im Vorfeld verkauft. Es sieht allerdings gegen 21 Uhr, als die Show eigentlich beginnen soll, eher nach einem Zehntel davon aus.

Als Ruger die Bühne betritt, werden es vielleicht 350 sein. Dabei waren die Early-Bird-Tickets schon Tage im Voraus ausverkauft. Bis zum Ende zu haben: die „Meet & Greet“-Variante für 250 Euro.

Wohl auch wegen des überschaubaren Publikums lässt Ruger auf sich warten. Ein DJ legt Afrobeats auf, feuert die Frühgekommenen an. Auf einer Leinwand werden die Sponsoren präsentiert und Ruger beim Fußballspielen gezeigt. Ob sie bereit seien für Party? Yeah. Ob sie tanzen wollen? Yeah. Eine Gruppe weißer junger Frauen scheint eine Choreografie einstudiert zu haben. Sie sind bereit für die Party, aber die Party ist noch nicht bereit für sie. Langsam füllt es sich etwas, Selfies werden gemacht. Ein Mann mit Videokamera streift über die Bühne, auf der ein Schlagzeug, Gitarre, Bass und Congas stehen. Um viertel nach zehn kommt er dann endlich, mit mehr als einer Stunde Verspätung: Ruger, mit blondiertem Kurzhaarschnitt und der markanten Augenklappe. Er trägt sie in Erinnerung an einen Menschen, der ein Auge verlor, aber trotzdem weitermachte und nur noch stärker wurde. Das Publikum drängt zur Bühne, vor der sicherheitshalber eine Absperrung steht, dahinter ein paar kräftige weiße Security-Kräfte, die Arme verschränkt.

Für eine Show mit Ruger

in nächster Zeit muss man schon nach England. Dort gibt der Afrobeats-Star im September mehrere Konzerte. Aber am 15. August soll sein Afrobeats-Kollege Burna Boy in der Berliner Waldbühne auftreten. Ursprünglich war das Konzert für den 5. Juli geplant.

Ruger ist gut in Form, stimmlich und körperlich. Im weiteren Verlauf seiner rund 75-minütigen Show entblößt er seinen Oberkörper und präsentiert sein Six-Pack, manchmal greift er sich in den Schritt. Zwei Tänzerinnen twerken engagiert, für den letzten Song kommt eine dritte dazu, auf der Leinwand wird noch mehr geräkelt. Stört niemanden. Gehört wohl zur Super­starshow im Lagos-Stil, wie die Rauchfontänen, die immer wieder aus dem Bühnenboden schießen.

Das ziemlich textfeste Publikum würdigt das lautstark. Dass das Schlagzeug dabei so laut im Mix ist, dass Rugers Stimme manchmal fast untergeht? Egal. Afrobeats sind im Haus, auch außerhalb der Metropolen. Mehr als nur irgendein Grund zum Feiern für diese jungen Menschen – und Vorbote einer sich wandelnden Gesellschaft.

Ein DJ legt Afrobeats auf, feuert die Frühgekommenen an

Unten bei den Toiletten sitzt eine ältere Frau, auch sie eine Schwarze. Dass sie das Konzert von Ruger verpasst, scheint sie nicht groß zu stören. Blöd nur, dass im Aladin nur noch mit Karte bezahlt werden kann. Klimpergeld ist da Mangelware. Andreas Schnell

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