gottschalk sagt : Pflanzen haben keine Lobby
CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag
Jetzt habe ich es auch gesehen, das Zigarettenreklameplakat mit der Frau, die ins Gebüsch pinkelt. Natürlich ist sie in Wirklichkeit ein Fotomodell und tut nur so. Anstößige Einzelheiten sieht man nicht. Fröhlich lacht sie ins Objektiv und raucht dabei (West). „Für gleiches Recht für alle“ steht drauf. Der Ordnungsamtsmitarbeiter in mir hat es gleich mal durchgerechnet. Wildpinkeln: 10 Euro Strafe. Wenn sie danach die Kippe wegschnippst, kommen noch mal 15 Euro drauf, sind nach Adam Riese summa summarum: 25 Euro. Ist es das wert, junge Frau?
Die Aufregung ist groß in Köln, mancher will gar „Pornografisches“ in dem Motiv entdecken. Honi soit qui mal y pense. Wirklich fies ist doch nur dieses selbstzufriedene Sich-frech-finden, dieser berechnende Nullenhumor der verantwortlichen Werbeagentur. Da sollte sich mal einer drüber aufregen. Oder sich um den armen Rhododendronstrauch im Hintergrund Gedanken machen. Das natürliche Verbreitungsgebiet des Rhododendron ist der vorstädtische Ziergarten. Mit „sowas“ will der als kleinbürgerlich bekannte Strauch garantiert nix zu tun haben. Aber Pflanzen haben ja keine Lobby in diesem Land.
Themenwechsel: Hatte ich letzte Woche behauptet, ich sei öfters neidisch auf die Hamburger? Als Wähler sind sie ja ziemliche Nulpen. Das Prinzip Ole von Beust funktioniert so: Man koaliert mit einem durchgedrehten Rechtsradikalen und überlässt ihm das Innenressort. Dort darf der lange Zeit allen Unsinn machen, der ihm einfällt, und erst wenn man wiederholt persönlich angegriffen wird, schmeißt man ihn nach reiflicher Überlegung wieder raus. Dann tut man gedächtnisvernichtende Chemikalien ins Leitungswasser, und auf einmal erinnern sich die Wähler nur noch daran, dass man diesen fiesen Möb mutig und entschlossen aus der Regierung entfernt hat. Ergebnis: 20 Prozent Stimmenzuwachs.
Ähnliches war in Köln wohl auch mal geplant, aber leider hatte Ruschmeier alle gedächtnisvernichtenden Chemikalien alleine ausgetrunken. Ersatzweise verwirrte man solange den Wähler mit Skandalen an der Zahl, und zwar mit Beteiligten aus SPD und CDU, dass der normale Kölner komplett den Überblick verlieren musste und sich nach dem zehnten Kölsch fragte: Ist der Blömer jetzt SPD oder MVA?