gesundheitsreform : Merkel in der Klemme
Die SPD hat es geschafft. Mit ihren Vorschlägen zur Gesundheitspolitik vom Wochenende drängt die große Regierungspartei die Opposition erstmals seit langem in die Defensive. Vor allem für Angela Merkel wird es ungemütlich. Die CDU-Chefin kann nicht mehr auf rot-grüne Fehler warten, sie muss reagieren, was ihr sichtlich schwer fällt. Kein Wunder, denn nun steht alles auf dem Spiel, was sich Merkel im letzten Jahr mühsam aufgebaut hatte: ihre Autorität in der Union und ihr Image als mutigste Reformerin der Republik.
KOMMENTAR VON LUKAS WALLRAFF
Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Muss Merkel wirklich zittern, nur weil die Regierung ihr bekanntes Ziel bekräftigt, irgendwann eine Bürgerversicherung für alle einzuführen? In der Tat sind es nicht so sehr die gestrigen Beschlüsse des SPD-Vorstands, die der CDU-Chefin kurzfristig Sorgen machen müssen. Die „Eckpunkte“ der SPD könnte Merkel als das abtun, was sie sind: wolkige Verheißungen für eine unbestimmte Zukunft. So etwas hat die Union selbst parat, sogar schon länger als die SPD. Ihre Alternative zur Bürgerversicherung präsentierte Merkel schließlich bereits vor einem Jahr – in Form ihres Kopfpauschalenmodells. Wirklich spannend wird der Wettstreit um die verschiedenen Gesundheitssysteme erst, wenn er konkret wird. Wenn sich die Parteien intern auf klare, schlüssige Konzepte geeinigt haben, die sie offensiv verkaufen können. Davon ist die Regierung mindestens genauso weit entfernt wie die Union.
Im Vergleich zu den großen Grundsatzentscheidungen, die noch ausstehen, erscheint daher fast als Petitesse, was die SPD der Union beim Thema Zahnersatz jetzt, wie nebenbei, angeboten hat. Dabei, muss man wissen, geht es nur um 0,4 Prozent der Gesundheitskosten. Und was die SPD vorschlägt, klingt zudem recht harmlos. Man könne beim Zahnersatz erst mal alles lassen, wie es war, bieten die Sozialdemokraten an: den Verzicht auf die bereits beschlossene, pauschale Zusatzversicherung. Doch auch wenn es nur um ein paar Euro pro Nase geht – für Merkel geht es ums Prinzip, um Glaubwürdigkeit und Macht.
Genau diese kleine, zusätzliche Pauschale für den Zahnersatz sollte ja als erstes Beispiel dafür dienen, dass das mit den (unsozialen) Einheitspreisen für die Gesundheit klappen könnte. Verzichtet Merkel nun auf diesen Einstieg, klingt das wie der Ausstieg aus dem Projekt, für das sie steht. Und mit dem sie fällt.
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