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gasfete

von FANNY MÜLLER

Paulina hat zu einer Einzugsparty geladen. Das ist ungefähr ein Jahr nach ihrem Umzug auch wirklich angebracht. Ich komme etwas eher, weil ich ihr beim Zubereiten der Speisen helfen soll, und drehe die Anlage etwas leiser. Bis auf die Küche sieht es ziemlich chaotisch aus. Paulina kocht vor Wut: „Als ich heute Morgen eingekauft habe, war meine Mutter da. Lies mal den Zettel!“ Ich lese: „Ich habe dir mal eben die Küche gemacht.“ Paulina tobt: „Mal eben! Mal eben! Was denkt die sich eigentlich – dass ich drei Tage brauche, um die Küche zu putzen?“ Nach meinem Dafürhalten braucht sie einen Monat, und dann ist das Geschirr schon wieder verschimmelt. Aber ich sage lieber nichts. Man soll anderen Hausfrauen ja nicht reinreden. Außerdem fand die Mutter, dass es irgendwie nach Gas riecht, und hat das Gaswerk angerufen, da käme dann später jemand. „Das fehlte noch, dass der mir in die Party reinplatzt!“

Ich suche auf dem Balkon nach den Zucchini. „Die sind neben dem Bücherkarton!“ Bücherkarton? Wie lange hat sie den denn schon . . . aber ich werde abgelenkt – weiter oben wird gerade die Straße abgesperrt, Polizei rennt herum, Leute gehen mit Sack und Pack aus ihrer Wohnung. „Komm mal raus, Paulina!“ Wir hängen beide über dem Balkongeländer. „Fehlt nur noch das Fernsehen“, sagt Paulina, angenehm erregt. Da kommen die Jungs schon, Kameras auf der Schulter und eine Tussi dabei. Während wir gerade deren Outfit kommentieren – Rock und ausgestellte Hose, was Schlimmeres gibt es ja wohl nicht! –, donnert es an die Wohnungstür. „Bestimmt die Nachbarn, die können kein Heavy Metal ab!“

Ich öffne die Tür, und die ganze Pracht von mindestens zwanzig Feuerwehrleuten in voller Montur bricht über mich herein. „Der Mann vom Gaswerk ist da“, verkünde ich etwas schwach in den Knien. Allesamt strömen in die Küche. Wo denn der Hauptgashahn sei, wird gefragt. Paulina weiß es nicht, und alle Mann stürmen hinunter in den Keller. Zwei Polizisten bleiben da und nehmen ein Protokoll auf. Die Feuerwehr kommt zurück. „Da gibt es kein Vertun“, sagt der Oberboss, ein Gasschaden sei vorhanden, und sie hätten erst mal alles gesperrt. „Super“, sagt Paulina, „und womit sollen wir jetzt kochen?“ Sie sieht sich träumerisch in der Küche um: „Hör ma’ zu, ins Wohnzimmer gehen nur zehn Leute rein, wegen der Kartons, aber in die Küche passen zwanzig, hätt ich ja nie gedacht!“

In der nächsten Stunde ruft sie alle Gäste an, sie sollen „irgendwas“ mitbringen. Da aber alle schon „irgendwas zu trinken“ gekauft und die Läden sowieso geschlossen haben, gibt es nur Salzstangen, Würmer und altbackenes Brot vom Türken. Sebi bringt seine Kusine mit, die sich als die Tussi vom Fernsehen herausstellt. In den Abendnachrichten sieht man Paulina und mich auf dem Balkon, wie wir feixen. Spätabends donnert es wieder an die Wohnungstür. Dieses Mal sind es aber die Nachbarn, die mit der Polizei drohen. „Keine Chance, dass die Bullen noch mal kommen“, sagt Paulina großartig und macht die Tür wieder zu.

Letzten Endes kehrten wir dann alle bei McDonald’s ein.

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