fußpflege unter der grasnarbe : Der Hacker mit dem Klingbeil
Aufstellungen von Fußballmannschaften habe ich schon immer gerne gelesen. Die Namenskolonnen geben meiner Phantasie freien Lauf. Auch heute noch. Ich lese die Namen der Spieler und stelle mir die Gesichter dazu vor. Guido Hacker, Michael Frech, Julian Stroppel, Frank Dröge. Ich überlege mir, was Christian Streit, Marco Stier und Sandro Stallbaum für Typen sind. Ob sie fair spielen oder hinterlistig. Guido Hacker zum Beispiel ist Manndecker beim Regionalliga-Schlusslicht VfR Neumünster. Als Mittelstürmer hätte ich große Angst vor einem Gegenspieler der Hacker heißt. Hacker klingt kompromisslos, nach Narben im Gesicht, nach jemandem, der in jeden Zweikampf hackt, ohne mit der Wimper zu zucken. Nach jemandem, der sich traut, Hattrick als After Shave zu benutzen. Nach gnadenloser Brutalität.
Sag mal Schatz, wie heißt der neue Nachbar von gegenüber? Guido, glaube ich, Guido Hacker. Um Gottes Willen, pack nur das Nötigste zusammen, wir müssen sofort die Stadt verlassen! Benedetto Muzzicato klingt anders. Nach schwarzen Haaren, die in Pomade schwimmen, nach Dreitagebart und Hackentrick. Nach einem Virtuosen, der muzzicatomäßig den Ball berührt. Ein Name, der ein eigenes Straßenschild verdient. In Bremen – dort spielt Muzzicato bei Werders Amateuren – könnte sich niemand beschweren, würde er im Benedetto-Muzzicato-Weg wohnen. Gerne würde man dort Besuch empfangen. Komm doch zu mir, Benedetto-Muzzicato-Weg 12.
Torsten Sümnich hört sich dagegen an wie Günther Netzer aussieht. So, als wenn er nie irgendwo eingeladen wird, er aber trotzdem kommt und sich am Büffet bedient, ohne ein Geschenk dabeizuhaben. Niemand würde auf die Idee kommen, eine Straße nach Torsten Sümnich zu benennen. Einen Schnauzbart trägt der Mittelfeldspieler von Eintracht Braunschweig aber nicht. Rotzbremsen passen schon seit vielen Jahren nicht mehr in die Gesichter, die ich mir zu den Namen vorstelle. Sie sind von den Fußballplätzen fast komplett verschwunden. In den Achtzigern war das noch anders. Da trugen viele Fußballer Oberlippenbärte und einfache Namen, die bis heute nicht weniger im Gedächtnis geblieben sind. Dirk Hupe. Bernd Krumbein. Rolf Blau. Oder Roman Geschlecht – ein Name, den man nie mehr vergisst.
Bei den Amateuren des Hamburger SV gibt es jemanden namens René Klingbeil. Auch er spielt eher in der Defensive. Wie der Name schon sagt, zerlegt er die gegnerischen Angreifer gerne fachgerecht in Stücke und verkauft sie nach dem Abpfiff lächelnd ans Publikum. So stellte ich mir René Klingbeil zumindest vor, bis ich ihn am Wochenende gegen Preußen Münster sah. Die Wirklichkeit hinter dem Klingbeil sieht etwas anders aus. Nun ja, er ist ein fairer Spieler, der ohne blutige Fouls auskommt. Keine Schlachtervisage. Keine mit einem Klingbeil zugefügte Narbe. Ich glaube, René K. ist ein richtig netter Kerl.