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fundgrubeJasper Morrisons „Everything but the Walls“

Ein Kaleidoskop gestalteter Funktionen

Die silbernen Straßenbahnwaggons in Hannover für die Expo 2000 hat er entworfen, eine ganze Reihe von Stühlen für renommierte Hersteller wie Cappellini und Vitra und viele alltägliche Gebrauchsgegenstände – sein Aufgabenspektrum hat sich der britischen Designer Jasper Morrison weit gesteckt. Doch nicht nur deshalb erscheint sein gerade publiziertes Werkverzeichnis „Everything but the Walls“ wie ein Kaleidoskop gestalteter Funktionen.

Morrison steht in der Tradition moderner Formgebung. In dem initialen Text „Utilism vs. Useslessnism“ beschreibt er einen gemeinsam mit den Berliner Designern Andreas Brandolini und Axel Kufus sowie dem Wiener Büro „Eichinger oder Knechtl“ ursprünglich für urbane Räume entwickelten Entwurfsansatz denn auch als Balance zwischen Ästhetik und Funktion unter Berücksichtigung von Materialeigenschaften, von Erfahrungen im Gebrauch und der Wirkung auf den Kontext.

Die Übertragung auf die Objektdesign veranlasste Morrison zum aufmerksamem Studium der bewährten Werkzeuge des Alltags. In der Folge greift er etwa mit dem Korkenzieher „Sokrates“ ein vom Markt verschwundenes Prinzip wieder auf, bei dem Sessel „Low Pad“ hat er eine Design-Ikone der 1950er Jahre vor Augen und auch die Straßenbahn rüstet er, wenn auch in Kunststoffrahmen, mit bequemen Holzsitzen aus.

In einer Vorlesung über seine Arbeit, aus der dann das Buch und die Diashow „A World without Words“ hervorgingen, zeigte Morrison deshalb lediglich eine Sammlung vorhandener Gegenstände, die wie eine zeitgenössische Fortschreibung des Spiels „House of Cards“ von Charles und Ray Eames erscheint; hier waren von Küchengeräten bis Nähutensilien allerlei „ungestaltete“ Gegenstände abgebildet gewesen.

Besonders sticht aus Morrisons Oeuvre eine miteinander kombinierbare Serie von Hifi- und TV-Geräten hervor, die er 1998 mit John Tree für Sony entwickelt hat. Wären sie in Produktion gegangen, hätten sie eine würdige Nachfolge für die eingestellte Reihe der Braun-Hifi-Geräte von Dieter Rams angetreten.

Unterhaltsam kommentiert Morrison das methodische Vorgehen anhand seiner Schöpfungen. Der Hang zum Bewährten findet sich in der schönen Leinenbindung wieder. Wenn auch die Redaktion zu wünschen übrig lässt, der Werbespruch eines Versandhandels könnte fraglos für das Buch und die darin präsentierten Objekte abgeändert werden in: „Es gibt sie wieder, die guten Dinge.“ MIKAS

Jasper Morrison, „Everything but the Walls“. 240 Seiten, 200 Abb., Lars Müller Publishers 2002, 50 €

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