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fundgrube mies van der roheVorboten einer großen Huldigung

„Weg mit der kalten Zweckmäßigkeit“

Bevor am 15. Dezember im Alten Museum die vom Museum of Modern Art in New York übernommene Ausstellung „Mies van der Rohe in Berlin“ eröffnet wird, können sich die an den zweifelsohne einflussreichsten Berliner Architekten des 20. Jahrhundert Interessierten mit zwei Ausstellungen bereits einstimmen.

Ursprünglich als Teil des konzertierten Ausstellungskanons geplant, ist „Mies van der Rohe – Möbel und Bauten in Stuttgart, Barcelona, Brno“ im Vitra Design Museum Berlin nach der Verschiebung der Hauptausstellung nun ein Vorbote der großen Huldigung. Hier werden sämtliche Möbel- und Innenraumentwürfe präsentiert, die der Architekt in der kurzen Periode 1926 bis 1930 für Bauten in den drei Städten entwickelt hat.

Eine herausragende Stellung nimmt das Wohnhaus im tschechischen Brno ein, ist es doch als Auftragsarbeit ein auf die Bedürfnisse eines Klienten zugeschnittenes Ambiente. Kurz nach der Fertigstellung provozierte das Pathos der Wohnräume eine Kontroverse unter den Kritikern, die in der Frage gipfelte „Kann man im Haus Tugendhat wohnen?“ Trotz eines Hinweises in der hiesigen Ausstellung fehlt die Replik von Grete Tugendhat, die wohl jeder Architekt von seinen Bauherrn hören möchte: „Wir wohnen sehr gern in diesem Haus, so gern, dass wir uns nur schwer zu einer Reise entschließen können.“

Der zweite Vorbote heißt „Mehr als der bloße Zweck. Mies van der Rohe am Bauhaus 1930–1933“. Diese Ausstellung im Bauhaus-Archiv lässt in den Zeichnungen seiner Studenten die oft beschriebene persönliche Präsenz des Architekten spürbar werden. Nahezu ausnahmslos sind die räumlichen Darstellungen mit dem Mobilar des Lehrers bestückt. Überwiegend werden Studien zu Hofhäusern und städtebaulichen Typologien gezeigt, die auch unter der Anleitung des Weggefährten von Mies, Ludwig Hilbersheimer, angefertigt wurden, und zur Innenraumgestaltung, die vor allem Mies’ Partnerin Lilly Reich betreute.

Wie nachhaltig prägend diese Ästhetik war, zeigt etwa die Studie für den Blücherplatz des Studenten Waldemar Hüsing, aus der sich die heute unverständlich erscheinende Form der Amerika-Gedenkbibliothek von 1951 ableiten lässt. Oder die Hofhaus-Studien von Eduard Ludwig, dessen bescheidene Flachdachbungalows im Hansaviertel aus den 50er-Jahren diesen Zeichnungen entsprungen sind. Sie bezeugen das Motto von Mies für seine Lehre: „Schön und praktisch bauen. Weg mit der kalten Zweckmäßigkeit.“

Die Ausstellung im Vitra Design Museum Berlin läuft bis 24. Feb. 2002, Kopenhagener Str. 58, 10437 Berlin, Di.–So. 11–20 Uhr, Fr.–22 Uhr, Katalog 58 Mark.

Im Bauhaus-Archiv sind van der Rohes Zeichnungen bis 11. März 2002 zu sehen. Klingelhöferstr. 14, 10785 Berlin, Mi.–Mo. 10–17 Uhr, Katalog 15 Mark. Mikas

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Redaktion: Ole Schulz

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