frankie goes to edmonton: Wenig Gaffer im Kaff
Welcome to the Pleasuredom
Die Tage in Edmonton vergehen wie im Fluge, auch wenn sie lange Zeit regnerisch waren und kühl. Aber das hat uns weiter nichts ausgemacht, wirklich nicht, weil wir ja ohnehin nicht zum Vergnügen hierher gekommen sind nach Kanada, sondern zum Arbeiten – und das mindestens so hart, wie all die Helfer, die das große Commonwealth Stadium ameisenemsig herausgeputzt haben in den letzten Tagen, damit es eine dem Ereignis angemessene Bühne bietet für die Eröffnungsfeier heute Nacht, wenn die Sportwelt ihren Blick nach Edmonton richtet.
Ein ganz schönes Gehämmere, Gesäge und Gebohre war das bis zuletzt. Man konnte richtig dabei zusehen, wie das Stadion, in dem sonst American Football geboten wird, schöner geworden ist und schmucker, jeden Tag ein bisschen mehr. Am Dienstag haben sie große Kübel mit Blumen herangekarrt, die nun die zahlreichen Fressbuden und Getränkestände verzieren. Am Mittwoch wurden Fähnchen in allen möglichen Farben gehisst.
Und bereits seit Sonntag wird auf dem Rasen eine ganze Menge geboten, weil ein paar hundert Kids üben. Am Anfang war das ein ganz schönes Durcheinander und Chaos, jedenfalls konnte man sich nur schwerlich vorstellen, dass das wirklich was werden würde. Mittlerweile aber, nach ein paar Tagen der Übung, weiß offenbar jeder dort unten, was er zu tun hat oder zu lassen. Und wenn der Schein nicht trügt, dann bekommen die Kids das tatsächlich hin und die Weltmeisterschaft eine fröhliche Eröffnungsfeier.
Downtown Edmonton, nur ein paar Diskuswürfe weiter, interessiert all das Treiben im Stadion allerdings kaum jemand. Zwar baumelt auch hier das eine oder andere WM-Fähnchen im Wind, ansonsten aber bleibt der Kanadier doch lieber seinem Ruf als Erfinder des Eishockeys treu und ignoriert die Leichtathletik, zumal in Edmonton, der Heimstatt der Oilers, des fünffachen Stanley-Cup-Gewinners.
So ist die Eröffnungsfeier noch nicht ausverkauft, obwohl sie doch das Stadion so schön herausgeputzt und viele Stunden geprobt haben. Für einen Teil der Wettkampftage soll es noch mehrere tausend Karten geben, weshalb sie nun mächtig auf die Werbetrommel schlagen und ganzseitige Anzeigen in den hiesigen Tageszeitungen schalten wollen. Motto: WM sucht Zuschauer. Dass diese Aktion von sonderlich viel Erfolg gekrönt sein wird, darf bezweifelt werden, weil Edmonton mit seinen 800.000 Einwohnern doch ein arges, sorry, Kaff ist, und die nächste Stadt, Calgary, über 200 Kilometer entfernt.
Beinharten Berichterstattern macht natürlich auch das nichts aus, weil wir ja, wie erwähnt, zum Malochen hergekommen sind, wozu sich auch in der Provinz und schon in der Woche vor den Wettkämpfen reichlich Gelegenheit bot, schon weil kaum ein Tag verging, an dem nicht ein, zwei, drei Pressekonferenzen auf dem Programm standen.
Auf diese Weise lernt man, eifrig von Hotel zu Hotel hetzend, wenigstens das Kaff ein bisschen besser kennen, immer auf der Jagd nach wichtigen Informationen, die man auf gar keinen Fall verpassen darf. Manchmal geht man dabei aber auch leer aus, so wie bei den japanischen Marathonläufern zum Beispiel, die zwar brav und wortreich erzählt haben, doch leider nur auf Japanisch, was nicht eben unsere größte Stärke ist.
Um die Statements von Nils Schumann und Haile Gebrselassie, Olympiasieger beide, wiederum mussten wir uns mit gut 200 Kollegen aus aller Welt klopfen, wenigstens haben wir dabei erfahren, dass beide nach längerer Verletzung wieder fit sind und relativ hoffnungsfroh in ihre Rennen starten wollen, während Gabriela Szabo aus Rumänien, Olympiasiegerin auch sie, hat wissen lassen, auf einen Start über die 5.000 Meter trotz guter Form zu verzichten, wenn man die gerade mit Epo im Körper erwischte Russin Olga Jegorowa starten lässt.
Gleich am nächsten Tag sind wir dann wieder in eines der unzähligen Hotels hier in Edmonton gerast, um ein paar Sätze aufzuschnappen von den US-Stars Maurice Greene und Marion Jones. Am Abend gab dann der DLV im Petroleum Club seinen Einstand, bevor wir noch kurz bei den Schweizern etliche Straßen weiter vorbeigeschaut haben, schon um zu schauen, wie es André Bucher geht, Schumanns vermeintlich stärkstem Konkurrenten (es geht ihm verdammt gut).
Wenigstens das Wetter ist derweil etwas besser geworden, sogar die Sonne haben wir in den letzten beiden Tagen ein paar Mal gesehen. Manchmal nämlich, zwischen all den Pressekonferenzen und all der Maloche, nehmen wir uns eine Minute frei und freuen uns einfach darauf, dass es endlich losgeht. FRANK KETTERER
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