fischer in bse-krise: Das Rind ist schon gegessen
Ein gewisses Maß halten. Das ist wohl das Schwierigste in der aktuellen BSE-Debatte.
Seit vielen Jahren ist das BSE-Problem bekannt. Schon Ende der Achtzigerjahre wurde das Problem breit diskutiert. Als 1996 die ersten BSE-Fälle importierter Rinder in Deutschland auftauchten, gab es erneut eine große Debatte ähnlich wie heute. Verbraucher, die wirklich sichergehen wollen, essen seither kein Rindfleisch mehr. Und auch keine Fleischprodukte, deren Inhaltsstoffe nicht klar erkennbar sind. Entsprechende Warnungen gab es genug. Doch wie gern verdrängt man die. Mancher hat vielleicht ein Jahr auf Rind verzichtet, mancher zwei – und ging dann wieder zur Tagesordnung über.
Kommentar von MATTHIAS URBACH
Inzwischen gibt es einen BSE-Test – und die Fälle dringen an die Öffentlichkeit. Doch der allergrößte Teil des verseuchten Rindes ist längst gegessen. In Frankreich sind nach Schätzungen von britischen Wissenschaftlern 5.000 bis 10.000 infizierte Rinder verzehrt worden. Die Bundesregierung nimmt mit gutem Grund an, dass die Situation hier ähnlich ist.
Dies gilt es auch bei den Koch- und Brühwürsten zu bedenken. Es macht nun wirklich keinen großen Unterschied, ob diese möglicherweise infektiöse Wurst nun eine Woche früher oder später aus dem Verkehr gezogen wird, nachdem wir sie mehr als zehn Jahre gegessen haben.
Natürlich ist es ärgerlich, wenn ein Brief im Gesundheitsministerium ein Woche lang unbeachtet herumliegt. Deshalb aber den Rücktritt von Andrea Fischer zu fordern, wie das die FDP tut, ist völlig unverhältnismäßig – wie die ganze Debatte. Keinesfalls hat Fischer abgewiegelt, wie es die Freidemokraten ihr vorwerfen. Von Anfang an hat sie stets die Risiken betont und darauf hingewiesen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Offen spricht sie nun auch über ihre Panne.
Wenn etwas schädlich ist, dann die augenblickliche Hysterie. Denn der Höhepunkt der Rinderepidemie ist schon vorbei. Viel wünschenswerter wäre dagegen ein koordiniertes Vorgehen der Regierung. Ein Krisenstab, der besonnen die sinnvollen Maßnahmen abwägt und eine Prioritätenliste erstellt. Und der endlich auch Sachverstand aus Großbritannien hinzuzieht. Denn die vielen – auch wissenschaftlich – noch offenen Fragen sollten einen stärker beunruhigen als das bisschen Separatorenfleisch, das noch übrig ist aus der Zeit, als das Abschaben von Wirbelsäulen noch nicht verboten war.
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