fake: Mit der Schlagkraft von zehn Millionen Bayern
Fabian Mehring hat es nicht immer leicht. Der Freie Wähler sitzt als weitgehend machtloser bayerischer Digitalminister zwischen den Stühlen, auf denen es sich die Kabinettskollegen schon gemütlich gemacht haben. Und die brennen nicht immer darauf, sich von dem Digital Native aus Schwaben Tipps geben zu lassen. Aufmerksamkeit generierte Mehring zu Beginn seiner Amtszeit mit seinem Kampf gegen Faxgeräte in bayerischen Behörden. Trojanische Pferde der Bürokratie gewissermaßen.
Natürlich sorgen auch Superlative für Aufmerksamkeit. Die „größte Bürgerbewegung Bayerns“ etwa. Die nämlich hat Mehring am Mittwoch in dem kleinsten Ministerium des Freistaats beschworen. Mehrfach wiederholte er die Formulierung und ergänzte: „Heute schaffen wir das größte Bayern-Bollwerk der Menschen in diesem Land.“ Gemeint war die Erweiterung „Bayern-Allianz gegen Desinformation“, die Mehring vor rund einem Jahr gemeinsam mit Innenstaatssekretär Sandro Kirchner von der CSU ins Leben gerufen hatte.
Und dann, falls irgendwer den Superlativen doch nicht ganz trauen sollte, rechnete er vor: Zehn Millionen Bayern seien im Raum vertreten. Das trifft es sehr gut, denn natürlich waren es nur Vertreter der 15 zivilgesellschaftlichen Akteure vom Roten Kreuz über den Jugendring bis zum Philologenverband, die sich im Ministerium eingefunden hatten. Ihre Verbände und Organisationen sollen künftig als neue Partner unter dem Dach der Bayern-Allianz selbiger Schlagkraft verschaffen. Europa sei „eingeklemmt zwischen Trump und Putin“, die sehr stark auf alternative Fakten – Mehring deutet Anführungszeichen an – setzten.
Zehn Millionen in Bayern, das ist eine beeindruckende Zahl angesichts einer Gesamtbevölkerung von 13 Millionen. Und Bayern – Achtung, es wird wieder großartig! – sei europaweiter Vorreiter im Kampf gegen digitale Desinformation. Gemeinsam mit Technikkonzernen wie Adobe, Google, Meta, Microsoft, Tiktok oder Fujitsu und Medienunternehmen habe die Regierung schon zahlreiche Projekte gestartet – von Aufklärungskampagnen für Senioren bis zu Hate-Speech-Beauftragten.
Sicher, es gab auch Ärger – vor allem mit den Tech-Riesen aus den USA, die nicht immer die hehren Motive Mehrings teilen. Als Elon Musk unverhohlen Wahlwerbung für die AfD betrieb, verließ Mehring dessen Plattform X und nahm sein Ministerium gleich mit. Als Mark Zuckerberg den Faktencheck einstellen wollte, bestellte der Minister europäische Meta-Bosse ein, um sie zumindest hierzulande von dem Vorhaben abzubringen. Noch am Mittwoch drohte Mehring: „Wenn bei Meta die Entwicklung in Europa so sein sollte, wie sie gerade in den USA ist, dann schmeiß ich die da raus.“
Dabei ist Mehring bislang nicht unbedingt als Rausschmeißer aufgefallen. Eher als Reinholer. Ende März ließ sein Ministerium noch stolz verkünden, dass ihm, nachdem sich schon OpenAI für München als deutschen Firmensitz entschieden hatte, ein weiter „Ansiedlungscoup“ gelungen sei: Tiktok werde seine Deutschland-Zentrale für „TikTok Shop“ in München aufbauen. Wer sich jetzt wundert, dass ausgerechnet Europas Vorreiter im Kampf gegen die Desinformation die Tech-Riesen gar so dreist umgarnt, möge sich direkt an Mehring wenden. Die Faxnummer lautet 089/453549-242.
Dominik Baur, München
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