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ex und pop: pavillonpinkeln (4)

von DIETRICH ZUR NEDDEN

Ewigkeiten bevor der deutsche Fußball seinem durchaus zu genießenden Untergang entgegentaumelte – möge er weitere Ewigkeiten dauern! –, genauer gesagt am vergangenen Sonntag, versammelten sich bei brüllender Hitze an den Outskirts des britischen Pavillons auf dem Expo-Gelände einige Fans, die ein Zeichen setzen wollten. Es ging niemand rein. Gleichzeitig dann, wie auf ein Kommando von Lothar Matthäus – wir erinnern uns an den kolportierten Ausruf von ihm: „Unser Kolumbianer hat soo ein Ding!“ –, holten die biergetränkten Germanen ihre Schniedel raus und pinkelten dem Empire ans Alu-Gebälk – an allen vier Ecken und den Seiten dazwischen sollt’ Rache dran lecken. Und ein unbescholtener Beobachter der Szene merkte sofort: Der Prinz von Hannover hatte sich Tage zuvor und viel zu früh also nur in der Adresse geirrt! Der Türke war gar nicht gemeint.

Dass im Zuge dieser etwas anderen Nachbereitung des vorentscheidenden EM-Spiels Wales, Schottland und Nordirland gleich mitbeleidigt wurden, weil sie nolens volens natürlich im Pavillon der Briten dabei sind und keinen eigenen haben, dies nicht bedacht zu haben, kann man den deutschen Urin-Usern kaum vorwerfen. Weil, warum haben die vier Nationalmannschaften und wir als quasi Weltmacht immer noch nur eine? Ausgeschieden sind beide Deppen-Teams sowieso.

Das kollektive Wasserlassen bleibt freilich eine immerhin hilflose Geste. Genauso wie die des Konzessionsbüros der Expo GmbH, die am Montag allen Angestellten eine E-Mail schickte: Von sofort an sei das Tragen von T-Shirts verboten, auf denen andere Logos zu sehen sind als die der Expo-Geschäftspartner. Eine Telekom-Textilie dürfen sie nun noch anziehen, ein Lacoste-Polo nicht. Allein das Nike-Swootch (oder wie immer sich das nennt) reicht von nun an schon, um bei Arbeitsantritt des Feldes respektive des Geländes verwiesen zu werden.

Fantasie muss man haben, und das konsequent. Ich wette meine kostbare Akkreditierung, dass irgendwo in den Büros der Expo-Gesellschaft schon eine Arbeitsgruppe über der Frage grübelt, mit welcher Begründung man die nächste superextraspezielle Preissenkungssonderaktion zum Beispiel für die Abendeintrittskarten präsentieren kann. Seitdem sie – GARANTIERT NUR BIS ZUM 2. JULI, he, he – 10 statt 24 Mark kosten, sieht es kurz vor sieben an den Eingängen aus wie früher zum Sommerschlussverkauf in den Kaufhäusern. Der Andrang beweist: Die Leute wollen ja! Den Expo-Funktionären sei gesagt: Auch Euro-Disney ist nicht an einem Tag erbaut worden.

Für einen einzigen Tag, ihren Nationentag, bauten die Finnen hingegen bei über dreißig Grad im Schatten eine original finnische Tonnensauna der Firma Tynnyrimökit mitten auf die Plaza. Was sich dann drinnen und davor abspielte, nannte sich „Sauna-Performance“ und war von einem herkömmlichen Saunabad nicht zu unterscheiden. Bloß nackicht war niemand. Doch den „Pavillon der Hoffnung“ habe ich bis jetzt nur aus der Ferne gesehen.

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