europa-fernsehen: GIGANTISCHE GLOTZE
Endlich ensteht in Europa ein TV-Konzern, der es an Größe und Einfluss mit den allmächtigen Amerikanern aufnehmen kann. Der Zusammenschluss der Bertelsmann-Tochter CLT-Ufa mit Pearson Television macht’s möglich. Mit über 25 Fernsehsendern ist das neue Unternehmen in allen wichtigen westeuropäischen Ländern präsent. Früh hat es sich auch gute Startpositionen im osteuropäischen TV-Markt gesichert.
Jetzt den Abschied von amerikanischer Dutzendware zu verkünden, hieße allerdings: zu früh gefreut. Dass über kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg tatsächlich ein europäisches Fernsehen entsteht, ist eine Illusion. Der neue Fernsehkonzern, der mit Pearson Television den größten Programmlieferanten in Europa an Land zieht, wird – vor allem finanziell – nur dann funktionieren, wenn beide Partner streng auf durchgängige Verwertbarkeit ihrer Stoffe und Formate achten. Schon heute recycelt Pearson Television in erster Linie amerikanische und australische TV-Dutzendware: Anspruchsvolle Programme, die nur noch in einem Markt oder Land gesendet werden können, werden im neuen Fernsehkonzern Seltenheitswert haben. Zumal das Unternehmen an die Börse soll: Aktionäre pochen zu Recht eher auf Dividenden als auf Grimme-Preise.
Selbst die geringe Vielfalt in der Einfalt wird abnehmen. Die Unterschiede, die sich ergeben, wenn gleich drei Soaps à la „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ gegeneinander laufen, dürften verschwinden.
Enger wird in jedem Fall der Markt für die deutsche TV-Produktionslandschaft. Die meisten Firmen sind längst direkt oder indirekt im Besitz eines Senders – die öffentlich-rechtlichen bilden hier keine Ausnahme – oder gehören zum Netzwerk der Bertelsmänner, Kirchs und Kloibers.
Erst im Oktober 1999 begannen die Landesmedienanstalten, sich über diese Konzentrationstendenzen Sorgen zu machen und Beschränkungen zu fordern, da diese Entwicklung, nicht nur nach Ansicht der Medienwächter, Kreativität und Programmqualität auf dem Bildschirm schmälert. Jetzt hat sie die Entwicklung völlig überrollt.
Uneingeschränkte Freude herrscht dagegen in Gütersloh: Nachdem Bertelsmann zum AOL-Ausstieg genötigt war und es auch in der Musiksparte kaum vorwärts geht, kann man jetzt zumindest im TV-Bereich glänzen.
STEFFEN GRIMBERG
flimmern und rauschen SEITE 21
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