piwik no script img

eskalation in palästinaEin Krieg ohne Sieger

Seit vielen Monaten hat die israelische Armee diesen Krieg geplant. Es wurde angenommen, dass die Palästinenser ihren Staat in den besetzten Gebieten ausrufen werden und dass danach ein Krieg ausbricht. Der Plan war, zuerst Scharfschützen einzusetzen, um „einen hohen Preis“ festzulegen, und, wenn das den palästinensischen Widerstand nicht bricht, Hubschrauber, Raketen und Panzer zu benutzen. Man betrachtete die Palästinenser als fast wehrlos.

Kommentarvon URI AVNERY

Die erste Phase ist zu Ende. Gegen hundert Palästinenser sind umgekommen. Doch entgegen der Erwartung haben diese Todesopfer den palästinensischen Aufstand nicht gebrochen, sondern nur noch mehr entfacht. Der Lynchmord von zwei israelischen Reservesoldaten in Ramallah hat jetzt die zweite Phase ausgelöst: Hubschrauber haben palästinensische Regierungsgebäude bombardiert.

Das wird diesen Krieg nicht beenden. Die Palästinenser glauben, dass sie für ihre Existenz kämpfen, und sind daher seelisch gerüstet, tausende von Opfern hinzunehmen. Die israelische Öffentlichkeit ist weit weniger bereit, Opfer zu ertragen – daher die Reaktion der Militärs.

Ein Ergebnis der Ereignisse ist, dass beide Führer, Arafat und Barak, äußerst populär geworden sind. Noch vor Wochen war Barak politisch bankrott; jetzt wird er von allen Parteien unterstützt, alle Medien dienen seiner Propaganda, die Friedensbewegung ist – außer ein paar mutigen Ausnahmen – zusammengebrochen. Arafat, der noch vor ein paar Tagen von links und rechts angegriffen wurde, ist jetzt wieder der Vater der Nation, sogar die exremen islamischen Gruppen unterstützen ihn. Die palästinensischen Staatsbürger Israels demonstrieren gewalttätig für ihre Brüder.

Wohin führt das? Es ist ein Krieg, den weder Israel noch Palästina gewinnen können. Am Ende werden beide Völker wieder dort sein, wo sie vor zwei Wochen waren. Und dieselben Probleme werden dieselben Lösungen fordern: ein Staat Palästina neben dem Staat Israel, Jerusalem Hauptstadt beider Staaten, Ostjerusalem für Palästina, Westjerusalem für Israel, die heiligen Moscheen werden zu Palästina gehören, die Klagemauer wird in Israel bleiben.

Vielleicht, auf paradoxe Weise, wird diese gewalttätige Auseinandersetzung beide Führer so stärken, dass sie es wagen könnten, diese Lösung bei ihren eigenen Völkern durchzusetzen. Vielleicht.

Der Autor war Mitglied der Knesset und lebt als Publizist in Tel Aviv

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen