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epologDas italienische NOK dopte Spitzensportler

„Kriminelle Vereinigung“

Verfahren eingestellt – eigentlich klingt das Ergebnis jahrelanger Ermittlungen gegen gleich drei ehemalige Vorsitzende des Nationalen Olympischen Komitees Italiens (Coni) ganz erfreulich für die Betroffenen. Doch was Staatsanwalt Pierguido Soprani aus Ferrara als Resultat seiner Doping-Ermittlungen zu Papier brachte, belastet die Sportfunktionäre schwer und wird die seit Monaten im Lande schwelende Doping-Diskussion erneut anheizen.

Nur die Verjährung der Straftaten rettet die Exchefs des Coni. Ansonsten gilt dem Staatsanwalt als erwiesen, dass in Italien über Jahre hinweg Zustände herrschten wie einst im Ostblock. Gemeinsam mit dem „Anti“-Doping-Experten Francesco Conconi von der Universität Ferrara hätten die Coni-Spitzen seit 1981 eine „kriminelle Vereinigung gebildet“ und „in institutionellem Rahmen Doping-Praktiken auf den Weg gebracht“, so der Vorwurf. Der Trick war einfach: Das Coni finanzierte großzügig Conconis „Forschungs“-Projekte, in deren Rahmen, natürlich nur zu wissenschaftlichen Zwecken, Italiens Leistungssportler ordentlich gepusht wurden.

Da gab es 1983 ein Projekt „über die Effekte der Einnahme anaboler Steroide“, dann wurde die „Variation der Testosteron-Werte vor und nach Ausdauerwettkämpfen“ erforscht, sprich: unter großzügiger Gabe des Hormons aktiv betrieben. Und schließlich experimentierte Conconi während der Achtzigerjahre intensiv mit Eigenbluttransfusionen, seit 1985 in Italien verbotenen. Geher und Marathonläufer, Rad- und Skifahrer gehörten zu den Probanden, unter ihnen so prominente Namen wie Francesco Moser, Marco Pantani und die Ski-Langläuferin Manuela Di Centa.

Dokumentierte Forschungsergebnisse sprangen in all den Jahren nicht heraus, wohl aber die eine oder andere Medaille. Staatsanwalt Soprani: „Die Spitzen des Coni waren über die Vorgänge nicht nur auf dem Laufenden; sie haben bewusst entschieden, dass auch angesichts wahrscheinlicher gesundheitlicher Schäden das Erreichen guter Wettkampfresultate für das Coni von höherem Wert war.“ Dennoch werden jetzt nur Professor Conconi und einige seiner Mitarbeiter angeklagt, denn der Staatsanwalt fand keine hinreichenden Beweise, dass das Coni auch nach 1989 bei den mittlerweile modernisierten Dopingpraktiken des Forschers mitwirkte. Der hatte mittlerweile Epo als Fitmacher entdeckt.

Jahrelang bemühte sich Conconi angeblich – mittlerweile zum Mitglied nationaler und internationaler Anti-Doping-Ausschüsse aufgerückt – um wissenschaftliche Nachweisverfahren für Epo. Wieder war der wissenschaftliche Ertrag null; derweil aber hatte Marco Pantani am Ende enorme Probleme mit seinen überhöhten Epo-Werten.

Ob nun endlich das von Kultur- und Sportministerin Giovanna Melandri geforderte große Reinemachen im italienischen Sport anhebt, ist mehr als fraglich. Auch die heutige Coni-Spitze ist vor allem damit beschäftigt, unschöne Verdachtsmomente von den italienischen Sydney-Helden abzuwehren. Als vor einigen Tagen eine Liste von Athleten mit überhöhten Wachstumshormonwerten – auf der 5 der 13 italienischen Goldmedaillengewinner standen – publik wurde, löste das Coni mit einem Federstrich die eigene Anti-Doping-Kommission auf, von der die Liste stammte. Zwar gibt es in der Tat berechtigte Zweifel an der Aussagekraft der brisanten Liste. Es gibt aber auch Zweifel an den Motiven des Coni angesichts der drastischen Reaktion.

Der grüne Senator Fiorello Cortiana berichtete von einem Telefonat mit Coni-Präsident Giovanni Petrucci. „Jetzt, wo wir durch die Medaillen gestärkt sind, werden wir die aus dem Weg räumen“, habe der Funktionär seine Absichten bezüglich des Anti-Doping-Ausschusses klargestellt, zu einem Zeitpunkt übrigens, als die zum Entlassungsgrund hochgejubelte Liste noch gar nicht bekannt war.

MICHAEL BRAUN

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