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eine holländerin in berlinMIRANDA MEGENS über Esskultur

Ein Feinschmeckerparadies

Meine Waage habe ich nicht mitgenommen. Aber auch ohne sie ist mir klar: Nach vier Wochen in Berlin werde ich dick. Leckere Currywürste, guter Kebab, appetitliche türkische Pizza. Diese Klischeenahrung ist überall in der Stadt von morgens früh bis abends spät zu bekommen. Und alles schmeckt sehr gut. Zu gut. Weil ich mein Fahrrad zu Hause gelassen habe und mich nur mit der U-Bahn fortbewege, fliegen die Kilos an meinen Körper.

Genau wie fast alle Deutschen essen wir hier mittgas warm: Vom Büro direkt ins Restaurant. Das spart nicht nur das Kochen zu Hause. Auch der Körper freut sich über die Energie einer warmen Mahlzeit mittags mehr als abends.

In Holland gibt es dagegen zum Lunch nur die in einer Büchse mitgebrachten Brote. Oder teigige und frittierte Snacks. Abends kochen wir brav zu Hause. Denn in ein Restaurant gehen Holländer allenfalls am Wochenende. In Berlin aber sind die Restaurants und Kneipen jeden Abend voll.

Schätzen die Berliner also gutes Essen und Trinken mehr als wir Holländer? „Ja, bestimmt“, weiß Sylvia Witteman. Und die Holländerin muss es wissen. Denn die Gourmetkritikerin lebt mit Mann und Tochter in Berlin und schreibt jede Woche eine Kochspalte für De Volkskrant.

„Man kann hier überall lecker und billig essen“, sagt Witteman. „Die Deutschen geben mehr Geld für gutes Essen und Trinken aus als wir Holländer. Die Küche ist aber auch besser.“ Als Beispiel nennt Wittemann die italienischen Restaurants. Die seien hier nicht nur sehr populär, sondern würden auch feineres Essen bieten als die holländischen Italiener.

Wirklich angenehm ist aber, dass es in Berlin kaum Fast-Food-Ketten gibt. Im Zentrum Amsterdams reihen sich die Take-away-Restaurants, denen man überall in der Welt begegnet, aneinander. Und wenn dazwischen mal ein „echtes“ Restaurant auftaucht, dann stehen garantiert nur zu billige und deshalb schlechte Touristenmenüs auf der Karte.

Typisch für Berlin sind hingegen Stehimbisse, die nur unter der Woche geöffnet sind. Jeder Bauplatz hat einen. Und selbst hier folgen die Anbieter dem Trend zur Nahrungssicherheit: „Unsere Wurst besteht schon seit zwanzig Jahren nur aus Schweinefleisch“, wird da auf großen Schildern geworben. Oder: „Wir verarbeiten nur Biofleisch“. Das habe ich in Holland – trotz BSE – noch nie gesehen.

„Es ist ein Klischee. Aber ich muss doch sagen: Typisch für die Berliner Küche ist der Dönerkebab“, pflichtet Wittemann bei. Nicht ohne Begeisterung: „Der Döner ist eine brillantes und spottbilliges Phänomen. Ich verstehe nicht, warum es in Holland kaum Döner gibt.“

Nicht nur das Essen ist gut, der Berliner trinkt auch gerne einen guten Wein. In einer holländischen Kneipe bekommt man einfach ein Glas „Kopfschmerzenwein“ serviert.

Als ich in Berlin das erste Mal einen Rotwein bestellte, wurde ich erst mal nach der gewünschten Sorte gefragt: „Französisch, italienisch oder spanisch? Merlot oder Rioja?“ Und so weiter. So eine Auswahl findet man in Holland nur in einem guten – sprich: teuren – Restaurant.

Und wenn die Weinauswahl nicht reicht, bleibt immer noch der Sprung in die nächstgelegene Cocktaillounge. Ein guter Drink ist immer drin. Amsterdam ist ja trendy. Aber eine Cocktailbar an jeder Straßenecke, das kennt man dort nicht.

Für eine Feinschmeckerin wie mich ist Berlin ein Paradies. Auf der Straße begegnet man der Küche der ganzen Welt. Abspecken kann ich ja auch, wenn ich wieder zurück in Amsterdam bin.

Die holländische Journalistin Miranda Megens ist für sieben Wochen zu Gast bei der taz. In mehreren Kolumnen vergleicht sie das Leben in Berlin und Amsterdam.

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